Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Zurechnung der Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers beim Rechtsvorgänger. Umwandlung. Verschmelzung durch Aufnahme. Fiktionswirkung des § 20 UmwG 1995. Befreiungstatbestand. Kleinbetriebsklausel

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme gelten die zuvor beim übertragenden Rechtsträger zurückgelegten Beschäftigungszeiten als beim aufnehmenden Rechtsträger verbracht (Fiktionswirkung des § 20 UmwG 1995).

 

Orientierungssatz

1. Es wird offengelassen, ob sich dies im Rahmen der Prüfung der Erstattungspflicht des Arbeitgebers bereits aus § 613a BGB ergibt.

2. Beschäftigt der aufnehmende Rechtsträger mehr als 20 Arbeitnehmer, so liegen die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 S 2 Nr 2, Abs 2 Nr 1 AFG nicht vor. Aus der Fiktionswirkung des § 20 UmwG 1995 folgt, dass der Begriff des Arbeitgebers in § 128 AFG einheitlich auszulegen ist. Es wird auch für die Vergangenheit fingiert, dass der aufnehmende Rechtsträger der Arbeitgeber war.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Erstattungspflicht von Arbeitslosengeld einschließlich hierauf entfallender Beiträge gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die frühere Arbeitnehmerin V.

Die Klägerin ist aus der Verschmelzung verschiedener Raiffeisenbanken hervorgegangen. Die Raiffeisenbank E. eG verschmolz 1998 als übernehmende Genossenschaft mit sechs weiteren Raiffeisenbanken, darunter der Raiffeisenbank D. eG und änderte ihre Firma in Raiffeisenbank I. eG mit dem Sitz in E. (Verschmelzung durch Aufnahme).

Der Verschmelzungsvertrag datiert vom 23.06.1998, die Eintragung ins Genossenschaftsregister vom 17.07.1998. Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister erlosch die Raiffeisenbank D. eG.

Am 21.09.1998 meldete sich die 1939 geborene V. bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Sie war seit 1956 bei der Raiffeisenbank D. eG beschäftigt gewesen. Am 26.01.1998 schloss sie mit der Raiffeisenbank D. eG eine “Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses". Gemäß Ziff. 1 dieser Vereinbarung wurde das Arbeitsverhältnis zum 30.09.1998 beendet. Nach Ablauf einer zwölfwöchigen Sperrzeit erhielt Frau V. ab dem 24.12.1998 Arbeitslosengeld.

Mit Schreiben vom 27.04.1999 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und führte eine Anhörung wegen einer möglichen Erstattungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 128 AFG durch.

Die Klägerin wandte ein, dass die Raiffeisenbank D. eG im Jahr 1997 weniger als 20 Mitarbeiter hatte. Maßgeblich sei die Mitarbeiteranzahl dieser Raiffeisenbank und nicht der Rechtsnachfolgerin Raiffeisenbank I. eG, der Klägerin.

Mit Bescheid vom 16.11.1999 setzte die Beklagte einen Erstattungsbetrag von DM 10.816,54 (€ 5.530,41), betreffend den Zeitraum 24.12.1998 bis 31.03.1999, gegenüber der Klägerin fest. Frau V. habe die der Erstattungspflicht zugrundeliegenden Beschäftigungszeiten beim Rechtsvorgänger der Klägerin zurückgelegt und sei erst nach dem Betriebsübergang ausgeschieden, weshalb die Klägerin erstattungspflichtig sei. Hiergegen legte die Klägerin am 23.11.1999 Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 18.01.2000 führte die Beklagte eine weitere Anhörung wegen der Erstattungspflicht für den Zeitraum vom 01.04.1999 bis zum 31.08.1999 (Erstattungssumme € 10.236,06) durch.

Mit Schreiben vom 15.02.2000 begründete die Klägerin ihren Widerspruch. Sie wies darauf hin, dass die Raiffeisenbank D. eG deutlich unter 20 Mitarbeiter beschäftigte. Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes sei nicht die Klägerin, sondern stets die Raiffeisenbank D. eG gewesen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2000 als unbegründet zurückgewiesen. Die Voraussetzungen der Kleinunternehmensregelung würden nicht vorliegen. Da die Verschmelzung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden habe, sei die Klägerin der letzte und maßgebende Arbeitgeber. Hiergegen erhob die Klägerin am 20.06.2000 Klage zum Sozialgericht Ulm.

Mit Bescheid vom 18.07.2000 setzte die Beklagte einen Erstattungsbetrag in Höhe von DM 20.020,00 (€ 10.236,06) für den Zeitraum vom 01.04.1999 bis zum 31.08.1999 fest.

Die Klägerin machte im Laufe des Klagverfahrens geltend und wies nach, dass die übernehmende Genossenschaft, die Raiffeisenbank E. eG, im Jahr 1997 27 Beschäftigte hatte. Hierauf erließ die Beklagte am 18.12.2000 zwei Änderungsbescheide. Der Bescheid vom 16.11.1999 wurde abgeändert, die Erstattungssumme wurde auf DM 3.605,48 (€ 1.843,45) reduziert. Der Bescheid vom 18.07.2000 wurde dergestalt abgeändert, dass die Rückforderungssumme auf DM 6.673,27 (€ 3.411,99) reduziert wurde.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 16.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2000, in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.12.2000 sowie den Bescheid vom 18.07.2000 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.12.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht lies sich den Verschmelzungsvertrag, Auszüge aus dem Genosse...

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