Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. Übernahme angemessener Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Begrenzung durch § 12 Abs 1c S 6 Halbs 2 VAG. Gleichbehandlung der Leistungsbezieher nach SGB 2 und SGB 12. menschenwürdiges Existenzminimum

 

Orientierungssatz

1. Die Übernahme der Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung gem § 42 S 1 Nr 4 SGB 12 iVm § 32 Abs 5 SGB 12 ist - ebenso wie für Leistungsbezieher nach SGB 2 - der Höhe nach durch die anzuwendende Vorschrift des § 12 Abs 1c S 6 Halbs 2 VAG begrenzt auf den Beitrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen ist.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum bestehen nicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.11.2011; Aktenzeichen B 8 SO 21/10 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung der Kläger.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 bewilligte der Beklagte der am ... 1939 geborenen Klägerin und dem am ... 1936 geborenen Kläger laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 364,21 Euro. Ab dem 01. Januar 2009 könne für die private Krankenversicherung nur noch ein Betrag in Höhe von je 129,54 Euro und für die Pflegeversicherung mit je 17,79 Euro übernommen werden.

Der dagegen am 09. Januar 2009 eingereichte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 09. März 2009). Der Gesetzgeber habe die angemessenen Kosten, die der Beklagte zu übernehmen habe, durch § 12 Abs. 1 c Satz 6 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) begrenzt. Daran sei der Beklagte gebunden.

Dagegen haben die Kläger am 31. März 2009 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Zur Begründung haben sie ausgeführt, sie könnten sich monatlich lediglich für einen Betrag in Höhe von 286,82 Euro für den Kläger und zu einem Betrag in Höhe von 313,32 Euro für die Klägerin versichern. Erstattet würden jedoch lediglich 147,32 Euro, so dass eine Unterdeckung eintrete. Folge man den Buchstaben des Gesetzes, sei gegen den angefochtenen Bescheid gar nichts einzuwenden. Das Gesetz verstoße jedoch gegen die Verfassung, nämlich gegen das Sozialstaatsprinzip und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Der schwerwiegendste Vorwurf sei aber, dass die Regelung gegen die Menschenwürde verstoße. Gemäß § 1 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) sei es Aufgabe der Sozialhilfe, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspreche. Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung habe zur Folge, dass wenn die Kläger einen neuen Vertrag abschlössen, sie sich darüber im Klaren seien, dass sie ihre Vertragspflichten nicht erfüllen könnten. Sie würden sich genauer betrachtet eines Betruges strafbar machen. Sie seien nämlich nicht in der Lage, die geschuldeten Beiträge aufzubringen. Es sei nicht zu verstehen, weswegen der Gesetzgeber nunmehr die Leistungsträger anweise, nur noch 147,32 Euro zu erstatten, einen Betrag also, für den es keinen Versicherungsschutz gebe. Es helfe den Klägern auch nicht weiter, wenn es dem Versicherungsunternehmen verwehrt sei, seine rückständigen Beiträge mit evtl. anfallenden Erstattungsbeträgen zu verrechnen. Die insoweit ergangene Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 04. Dezember 2008 (L 7 SO 5378/08 ER-B) mindere lediglich die Folgen bei den Antragstellern und verhindere ein Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Verfügung. Eine Rechtfertigung für die Reduzierung der Beträge ergäbe sich durch diesen Beschluss aber nicht. Folge man dem Gesetzgeber, führe die Umsetzung der Rechtslage zur Verschuldung des Leistungsberechtigten, dies stehe im Widerspruch zu § 1 SGB XII.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Bescheides vom 23. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2009 den Beklagten zu verurteilen, zumindest den halbierten Basistarif für die private Kranken- und Pflegeversicherung der Kläger zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er habe lediglich die gültige Gesetzeslage umgesetzt. Ob das Gesetz gegen die Verfassung verstoße, könne vom Beklagten im Rahmen der Fallbearbeitung und der Widerspruchsbearbeitung nicht beurteilt werden, eine Klärung dieser Frage müsse auf dem Rechtswege erfolgen. Eine Übernahme des Differenzbetrages würde gegen das geltende Gesetz verstoßen und sei daher nicht möglich. Seit dem 01. Juli 2009 sei es nicht mehr möglich, in den Basistarif zu wechseln. Die Kläger hätten in den Basistarif gewechselt. Aufgrund der Sozialhilfebedürftigkeit werde der Betrag, wie gesetzlich vorgesehen, um die Hälfte reduziert. Es sei deshalb nur die Frage streitig, ob der Beklagte den hälftigen Basistarif oder den nach § 12 Abs. 1 c Satz 6 VAG geregelten Satz übernehme...

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