Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwillige Versicherung bzw Pflichtversicherung. Bezug von Sozialhilfeleistungen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG bzw SGB 12
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 9 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB 5 sieht keinen Ausschluss der Personen von der freiwilligen Versicherung vor, die bis 31.12.2004 Leistungen nach dem BSHG und ab 1.1.2005 Leistungen nach dem SGB 12 erhalten (vgl LSG Stuttgart vom 11.4.2006 - L 11 KR 714/06).
2. Die unpräzise Formulierung der Tatbestandsvoraussetzung in § 9 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB 5, diese Leistung müsse "in der Vergangenheit" bezogen worden sein, lässt sich nicht dahingehend interpretieren, dass der Leistungsbezug bis zum 1.1.2005 abgeschlossen sein muss (vgl LSG Stuttgart vom 11.4.2006 - L 11 KR 714/06).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Der ... 1921 geborene Kläger lebt nach seinen Angaben seit 52 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und war früher als Selbständiger in der Autoverwertung tätig. Nach seinen unwidersprochen gebliebenen Angaben war er nie krankenversichert. Bis einschließlich 31. Dezember 2004 bezog der Kläger nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten über mehrere Jahre Leistungen nach dem BSHG. Seither bezieht er Leistungen nach dem SGB XII.
Der Kläger wurde durch die Landeshauptstadt Wiesbaden mit Schreiben vom 15. April 2005 darauf hingewiesen, dass er bis zum 1. Juli 2005 einen Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse stellen müsse, um die Neuregelung in Anspruch zu nehmen, welche die freiwillige Versicherung von Personen ermögliche, die noch nie die Chance gehabt hätten, sich bei einer Krankenversicherung zu versichern.
Mit am 27. Mai 2005 bei der Beklagten eingegangenem Formular beantragte der Kläger die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 2. Juni 2005 abgelehnt; zur Begründung wurde ausgeführt, dass von § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V nur solche Personen erfasst seien, deren Sozialhilfebezug vor dem 1. Januar 2005 geendet habe. Nach den beigefügten Unterlagen erhalte aber der Kläger weiterhin laufende Sozialleistungen und werde vom Sozialamt betreut. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Bescheides wird auf Blatt 15 der Verwaltungsakte verwiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 6. Juni 2005 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass aus dem Gesetzestext nicht abzuleiten sei, dass zum 1. Januar 2005 der Leistungsbezug geendet haben müsse. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Beitrittsrecht nach § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V lediglich einen kleinen, eng umgrenzten Personenkreis von ehemaligen Sozialhilfebeziehern umfasse, die Vorschrift sei daher restriktiv auszulegen. Dies ergebe sich unter anderem aus der Gesetzesbegründung. Hiernach habe mit der Regelung einem Anliegen des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden sollen, der darum gebeten habe, bei der Neuregelung der Versicherungspflicht von Sozialhilfeempfängern eine Regelung für "Altfälle" vorzusehen. Insbesondere habe der Gesetzgeber bei der Ablösung des BSHG durch das SGB XII nicht beabsichtigt, allen Sozialhilfeempfängern ein einmaliges Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung einzuräumen. Hätte der Gesetzgeber ein umfassendes Beitrittsrecht für notwendig gehalten, wäre das Rechtsinstitut der Betreuung nach § 264 Abs. 2 SGB V durch eine generelle Versicherung der Sozialhilfeempfänger zu ersetzen gewesen. Aus der Gesetzesbegründung werde deutlich, dass die Regelung nur für "ehemalige" Sozialhilfebezieher gelten solle. Daraus folge, dass diese Leistungen vor dem 1. Januar 2005 geendet haben müssten. Da beim Kläger die Leistungen vom Sozialamt ab 1. Januar 2005 nach den Regelungen des SGB XII fortgeführt worden seien, gehöre der Kläger nicht zum beitrittsberechtigten Personenkreis. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Widerspruchsbescheides wird auf die Ablichtung als Anhang zur Klage (Bl. 5-6 d. A.) verwiesen.
Die vorliegende Klage ist am 3. November 2005 bei dem Sozialgericht Wiesbaden eingegangen.
Der Kläger beruft sich auf die Begründung seines Widerspruchs.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Juni 2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2005 zu verpflichten, die freiwillige Versicherung ab dem 1. Januar 2005 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf ihren bisherigen Vortrag im Verwaltungsverfahren sowie den Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2005.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung am 8. September 2006, in der die Beklagte beantragt hat, die Sprungrevision zuzulassen, wird auf die Sitzungsniederschrift vom 8. September 2006 (Blatt 25 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von de...