Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der selbständigen Tätigkeit. Weitergewährung des Gründungszuschusses. Ermessensfehler. Durchschnittsgewinn in der ersten Förderphase. Anlaufschwierigkeiten
Leitsatz (amtlich)
Es liegt ein Ermessenfehler vor, wenn die Bundesagentur die Weitergewährung des Gründungszuschusses für die zweite Phase starr von dem durchschnittlichen Unternehmensgewinn abhängig macht, der in der ersten Gründungsphase erzielt worden ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung eines Gründungszuschusses nach Ablauf der ersten Förderphase.
Der 1978 geborene Kläger machte sich im Oktober 2011 mit dem Angebot von Wimpernverlängerung- und -verdichtung sowie Haarentfernung selbständig. Die Beklagte gewährte ihm hierfür mit Bescheid vom 08.11.2011 für den Zeitraum vom 26.10.2011 bis 25.07.2012 einen Gründungzuschuss in Höhe von monatlich 1315,50 Euro. Am 01.08.2012 beantragte der Kläger die Weitergewährung des Gründungszuschuss für die sogenannte 2. Phase in Höhe von 300,00 Euro monatlich für sechs Monate. Er legte eine Aufstellung des Betriebsergebnisses seit Gründung vor und eine Stellungnahme des „Gründungs-Hessen” Netzwerk, wonach mit wachsendem Bekanntheitsgrad mit weiteren Gewinnsteigerungen in den nächsten Monaten zu rechnen sei.
In den ersten neun Monaten seit Gründung erzielte der Kläger mit der selbständigen Tätigkeit folgenden Gewinn:
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Monat |
Gewinn |
November 2011 |
227,73 Euro |
Dezember 2011 |
335,95 Euro |
Januar 2012 |
343,46 Euro |
Februar 2012 |
-222,97 Euro |
März 2012 |
452,15 Euro |
April 2012 |
168,32 Euro |
Mai 2012 |
577,53 Euro |
Juni 2012 |
1556,87 Euro |
Juli 2012 |
1786,97 Euro |
Die Beklagte lehnte die Weitergewährung des Gründungszuschusses mit Bescheid vom 09.08.2012 ab. Das monatliche Betriebsergebnis betrage seit der Gründung im Durchschnitt unter 950,00 Euro monatlich. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit sei damit nicht gegeben. Der Gründungszuschuss stelle eine Ermessensleistung dar, bei der die Beklagte eine Abwägungsentscheidung zu treffen habe.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Es sei zu berücksichtigen, dass der Gewinn kontinuierlich angestiegen sei und in den Monaten Juni und Juli 2012 1556,00 Euro und 1786,00 Euro betragen habe. Eine Durchschnittsberechnung unter Einbeziehung der Anlaufphase vorzunehmen, sei fehlerhaft.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2011 zurück. Das Interesse der Versichertengemeinschaft sei darauf gerichtet, möglichst viele Antragsteller zu fördern und die Gelder nur zu zahlen, wenn zu erwarten sei, dass der Lebensunterhalt aus der selbständigen Tätigkeit bestritten werden könne. Würden nur die letzten drei Monate der Tätigkeit für die Beurteilung herangezogen, ergebe sich ein monatliches Einkommen von 1300,00 Euro. Damit sei der Kläger in der Lage, die soziale Absicherung aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Der Kläger hat am 03.12.2012 Klage erhoben. Die Beklagte sei nicht befugt, entgegen der Beurteilung der fachkundigen Stelle die Tragfähigkeit abzulehnen. Da der Kläger die Gründung im Oktober 2011 begonnen habe, sei die bis zum 27.12.2011 geltende Gesetzesfassung anzuwenden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2012 zu verpflichten, ihm für weitere sechs Monate vom 26.07.2012 bis 25.01.2013 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 300,00 Euro zu gewähren,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf Weitergewährung des Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Weitergewährung des Gründungszuschusses komme nur in Betracht, wenn in dem vorangegangenen Gründungszeitraum die Einnahmen durchschnittlich zwischen 950,00 Euro und 1250,00 Euro monatlich gelegen hätten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im Sinne des Hilfsantrages begründet. Die Weitergewährung des Gründungzuschusses sieht das Gericht nicht als einzig rechtmäßige Entscheidung an. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind jedoch fehlerhaft, denn sie beachten die Umstände des Einzelfalles nicht angemessen und lassen notwendige Überlegungen vermissen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Förderantrag, denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB III a.F. sind nach Auffassung des Gerichts gegeben.
Nach 132 SGB III in der Fassung (i.d.F.) ab 01.04.2012 ist vorliegend § 58 Abs. 2 SGB III i.d.F. bis zum 27.12.2011 anzuwenden, weil der dem Kläger für die erste Phase bewilligte Gründungszuschuss nach dieser Fassung bewilligt worden war. Danach kann der Gründungszuschuss für weitere sechs Monate mit 300,00 Euro monatlich gefördert werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel, kann die Agentur für Arbeit die erneute Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen.
Der Kläger...