Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. keine Unterbrechung des versicherten Weges. Abstellen des Pkw in der Garage. Aufhalten des zurückrollenden Pkw
Leitsatz (amtlich)
Keine Unterbrechung des versicherten Heimwegs, wenn die Versicherte bei dem Versuch, ihren zunächst vor der Garage abgestellten, dann aber zurück rollenden Pkw aufzuhalten, um ihn anschließend in die Garage zu fahren, verletzt wird.
Tenor
Der Bescheid vom 24.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2011 wird aufgehoben
Es wird festgestellt, dass die Klägerin am 17.01.2011 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.
Am 17.01.2011 kehrte die Klägerin von ihrer Arbeitsstelle im XY. Markt in XY-Stadt nach Hause zurück. Sie stellte ihren Pkw vor der oberhalb eines Hangs stehenden Garage ab, zog die Handbremse an und stieg aus, um das Garagentor zu öffnen, wobei sie die Fahrertür offenstehen ließ. Nachdem die Klägerin das Garagentor geöffnet hatte, drehte sie sich um und sah, dass sich ihr Pkw rückwärtsrollend in Bewegung setzte. Sie versuchte, das rollende Fahrzeug aufzuhalten, indem sie um die geöffnete Fahrertür herumlief, um in das Auto zu gelangen. Dabei erhielt sie von der Fahrertür einen Schlag ins Gesicht und stürzte, sodass anschließend der Pkw ihr linkes Bein überrollte. Die Klägerin erlitt dabei multiple Prellungen am linken Knie, linken Unterschenkel und linken oberen Sprunggelenk sowie multiple Schürfwunden am Unterkiefer links (Durchgangsarztbericht vom 18.01.2011, Blatt 1-1 Unfallakte).
Mit Bescheid vom 24.02.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 17.01.2011 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe im Zeitpunkt des Unfalls ihren versicherten Heimweg unterbrochen gehabt, um eigenwirtschaftliche Zwecke zu verfolgen, nämlich ihren privaten Pkw vor einem Schaden zu bewahren. Die Fortbewegung zum Unfallzeitpunkt habe nicht dazu gedient, den versicherten Weg fortzusetzen, also das Fahrzeug in die Garage zu fahren. Die Klägerin habe somit im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2011, zu dessen vollständigem Inhalt auf Blatt 48-1 bis 48-2 der Unfallakte Bezug genommen wird, zurück, weil auch nach Auffassung des Widerspruchsausschusses ein versicherter Wegeunfall nicht vorgelegen habe, denn die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt ihrem privaten Pkw hinterher gelaufen und habe sich daher nicht mehr auf einem versicherungsrechtlich geschützten Weg befunden.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.05.2011 Klage erhoben und zur Begründung die Ansicht vertreten, bei dem Unfall habe es sich um einen Wegeunfall gehandelt, weil er sich auf dem Rückweg von der Arbeitsstätte ereignet habe. Der versicherte Weg sei erst abgeschlossen, wenn die Eingangstür passiert sei. Zum Unfallzeitpunkt sei ihre Handlungstendenz noch auf die Fortsetzung des versicherten Weges mit dem Ziel, ihr Haus zu erreichen, gerichtet gewesen. Entscheidend sei dieser objektivierte Zweck des Handelns.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 24.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2011 aufzuheben und festzustellen, dass sie am 17.01.2011 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer Ansicht fest und trägt vor, nach dem Ergebnis der Ermittlungen habe sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht mehr bei der versicherten Wegezurücklegung befunden, sondern bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit. Der Versuch, das zurückrollende Fahrzeug aufzuhalten, habe nicht mehr der Zurücklegung des Heimweges gedient, sondern sei von dem eigenwirtschaftlichen Interesse geprägt gewesen, mögliche Schäden zu verhindern. Mit dieser neuen Zielsetzung sei eine Änderung der Handlungstendenz eingetreten und damit eine Unterbrechung des versicherten Heimwegs. Insbesondere habe sich die Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht mehr in Richtung ihrer Wohnung fortbewegt.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Unfallakte der Beklagten, der jeweils auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) zulässig (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, z. B. Urteil vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R, Rn. 9).
Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 24.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2011 (§ 95 SGG) ist rechtswidrig, weil die Klägerin am 17.01.2011 einen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat. Die Tätigkeit der...