Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung von Zeitarbeitsfirmen wegen Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP). Geltendmachung einer Teilforderung im früheren Beitragsbescheid. Unterstellung der Tarifunfähigkeit der CGZP im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. kein arbeits- bzw sozialrechtlicher Vertrauensschutz der Verleiher. Begründung eines überwiegenden Aufschubinteresses an der Vollziehung eines Beitragsbescheides
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Nacherhebung von Beiträgen ist nicht durch die Bestandskraft eines früheren Beitragsbescheids oder die Bestimmungen über die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte ausgeschlossen oder begrenzt, wenn sich nachträglich herausstellt, dass im früheren Beitragsbescheid zu Unrecht nur eine Teilforderung geltend gemacht worden ist.
2. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kann unterstellt werden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist.
3. Ein Vertrauenstatbestand der Verleiher auf die Gültigkeit des Tarifvertrages der CGZP besteht weder arbeitsrechtlich noch sozialrechtlich.
Orientierungssatz
Um ein überwiegendes Aufschubinteresse an der Vollziehung eines Beitragsbescheides iSv § 86a Abs 3 S 2 SGG zu begründen, reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht.
Tenor
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 11. Januar 2012 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 29. Dezember 2011 wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 12.347,93 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Widerspruchs gegen einen Beitragsbescheid.
1.
Die Antragstellerin betreibt seit Jahren ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister (AMP) waren Grundlage der Arbeitsverträge zwischen der Antragstellerin und deren (Leih-)Arbeitnehmer. Die Vergütung der Arbeitnehmer der Antragstellerin orientierte sich an den tarifvertraglichen Vorgaben, allerdings hat die Antragstellerin ihre Arbeitnehmer übertariflich bezahlt.
Mit Bescheid vom 1. Juli 2008 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin, dass vom 18. Juni 2008 bis 30. Juni 2008 eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 durchgeführt worden sei. Die stichprobenweise durchgeführte Prüfung habe verschiedene Feststellungen ergeben. Aus der Prüfung ergebe sich eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 6.345,38 EUR. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Bescheid vom 1. Juli 2008 verwiesen. Der Bescheid ist - soweit ersichtlich - in Bestandskraft erwachsen.
2.
Mit Beschluss vom 1. April 2009 - 35 BV 17008/08 - hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2009 - 23 TaBV 1016/09 - hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Entscheidung im Wesentlichen bestätigt. Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - die Rechtsbeschwerden der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen, des Arbeitgeberverbands Mittelständischer Personaldienstleister e. V. sowie der Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V. gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Dezember 2009 - 23 TaBV 1016/09 - zurückgewiesen hatte, hat sich die Antragsgegnerin mit Rundschreiben vom 22. Dezember 2010 an Zeitarbeitsunternehmen gewandt und u. a. mitgeteilt, dass sich derzeit nicht mit letzter Sicherheit sagen lasse, wie die Frage der Rückwirkung dieser Entscheidung auf Beitragsansprüche, die seit Januar 2006 fällig geworden sind, zu beantworten sei. Um Schaden von den Sozialversicherungen abzuwenden, sehe sie sich deshalb verpflichtet, hiermit fristwahrend die Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge noch im Jahr 2010 geltend zu machen. Die Empfänger des Schreibens seien daher verpflichtet, selbständig unverzüglich zu überprüfen, welche Beitrags- und Meldepflichten im Nachgang zu diesem Urteil zu erfüllen seien. Es sei beabsichtigt, im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen. Ferner wandte sich die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit am 1. Juli 2011 an die Antragstellerin. Insoweit wird wegen der weiteren Einzelheiten auf d...