Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zahnersatzkosten. kein Darlehen wegen unabweisbarem Bedarf. Vollversorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung. keine ergänzende Sozialhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kosten der Regelversorgung für medizinisch notwendigen Zahnersatz werden bei Beziehern von Arbeitslosengeld II, die nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB 5 in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, von der gesetzlichen Krankenkasse in vollem Umfang übernommen. Mehrkosten für eine über die Regelversorgung hinausgehende Zahnersatzversorgung gehören ohne Vorliegen medizinisch zwingender Gründe nicht zu dem mit Leistungen des SGB 2 zu sichernden Existenzminimum.

2. Sofern der existenznotwendige Bedarf durch die medizinisch notwendige (Regel-) Versorgung mit Zahnersatz im System des SGB 5 befriedigt werden kann, scheidet auch ein ergänzender Anspruch aus § 73 SGB 12 aus, da es insoweit an einer besonderen, atypischen Bedarfslage fehlt.

 

Orientierungssatz

Zwar werden Kosten der Gesundheitspflege als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben grundsätzlich vom Regelbedarf iS des § 20 Abs 1 SGB 2 umfasst. Dies kann allerdings aus systematischen Gründen nur für solche Kosten gelten, die auf Konstellationen beruhen, für die die krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften keine "Vollversorgung" der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen vorsehen. Vom Versicherten ggf zu tragende Mehrkosten iS des § 55 Abs 4 SGB 5 sind nicht als Kosten der Gesundheitspflege vom Regelbedarf nach § 20 Abs 1 SGB 2 umfasst, so dass bereits deshalb die Gewährung eines Darlehens nach § 24 Abs 1 SGB 2 nF ausscheidet.

 

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die vorläufige Übernahme von Kosten für eine Zahnersatzbehandlung.

Der am 2.1.1966 geborene Antragsteller bezieht seit 21.6.2010 vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweitem Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er ist in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert und verfügt über eine Zahnzusatzversicherung.

Mit Schreiben vom 20.9.2011 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Übernahme von ihm entstehenden Kosten für eine geplante Zahnersatzbehandlung in Höhe von 4181,36 €. Diese Summe ergebe sich aus den geschätzten Gesamtbehandlungskosten laut Heil- und Kostenplan vom 1.8.2011 in Höhe von 7446,04 € abzüglich des von der zuständigen Krankenkasse mit Schreiben vom 13.9.2011 gewährten doppelten Festzuschusses in Höhe von 3264,68 €.

Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 29.9.2011 die Übernahme dieser Kosten ab. Die Kosten für eine von der Krankenkasse nicht vollständig übernommene Behandlung seien im Rahmen der Gesundheitspflege bereits im Regelbedarf enthalten.

Mit Schreiben vom 30.9.2011 teilte die Zahnzusatzversicherung dem Antragsteller mit, dass er von ihrer Seite aus mit einem Erstattungsbetrag in Höhe von 800 € rechnen könne.

Mit Schreiben vom 2.10.2011 erhob der Antragsgegner gegen den Bescheid des Antragsgegners Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2011 zurückgewiesen wurde. Eine Anspruchsgrundlage für die Übernahme der Kosten für die geplante Zahnersatzbehandlung sei im SGB II nicht enthalten.

Am 31.10.2011 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Zahnersatz sei medizinisch notwendig. Er könne die Kosten aus dem Regelbedarf nicht bezahlen.

Der Antragsteller beantragt,

1. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die anfallenden Kosten für eine geplante Zahnersatzbehandlung in Höhe von 4181,36 € zu zahlen,

2. ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Kosten der Versorgung für medizinisch notwendigen Zahnersatz würden von der zuständigen Krankenkasse getragen werden.

Auf Nachfrage des Gerichts teilte die zuständige Krankenkasse mit Schreiben vom 10.11.2011 mit, dass die vom Antragsteller begehrte Zahnersatzversorgung über die Regelversorgung hinausgehe. Statt der in der Regelversorgung vorgesehenen kunststoffverblendeten Oberkiefer-Cover-Denture-Prothese mit Teleskopkronen begehre er eine metallkeramischverblendete Cover-Denture-Prothese. Für den Unterkiefer begehre er statt der in der Regelversorgung vorgesehenen Modellgussprothese mit Halteelementen sowie Überkronung gewisser Zähne eine Teleskopprothese.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verfahrensakte des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg, da er unbegründet ist.

1. Statthaft ist vorliegend ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form einer sog. Regelungs...

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