Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Berechnung des Krankengeldes. Berücksichtigung von Überstunden
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Berechnung des Regelentgelts für die Bemessung des Krankengeldes (§ 47 Abs 1 und 2 SGB V) sind Überstunden als regelmäßige wöchentliche Arbeitsstunden iSv § 47 Abs 2 S 2 SGB V mitzuberücksichtigen, wenn sie nach dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses regelmäßig erbracht worden sind. Die Regelmäßigkeit ist zu bejahen, wenn in den letzten abgerechneten drei Monaten oder 13 Wochen (Referenzzeitraum) in jedem Monat mindestens eine Überstunde geleistet worden ist.
2. Beruht das Fehlen von Überstunden in einem Monat des dreimonatigen Referenzzeitraumes auf Umständen, die nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt worden sind (zB Arbeitsunfähigkeit, Urlaub), bleibt dieser Monat außer Betracht. Der Zeitraum ist zu erweitern, bis er wieder drei abgerechnete Monate umfasst (Anschluss an BSG vom 1.6.1994 - 7 RAr 40/93 = BSGE 74, 199 = SozR 3-4100 § 59 Nr 5, zum Übergangsgeld nach § 59 Abs 2 und 3 AFG idF durch das Gesundheitsreformgesetz vom 20.12.1988 - BGBl I, S 2477).
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2017 verurteilt, die Höhe des klägerischen Krankengeldanspruchs ab 24.08.2016 neu zu berechnen mit der Maßgabe, dass die dem Kläger in den Monaten März 2016, April 2016 und Juni 2016 ausbezahlten Überstunden bei der Bemessung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden berücksichtigt werden.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten höheres Krankengeld unter Berücksichtigung von Überstunden.
Der Kläger ist als Baumaschinenmechaniker bei der Becker Baumaschinen GmbH beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seit dem 21.07.2016 ist er arbeitsunfähig erkrankt. Vom 02.05.2017 bis zum 06.06.2017 hat er eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme mit Bezug von Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger durchgeführt.
Mit Bescheid vom 14.09.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger ein kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 59,63 € brutto bzw. 52,46 € netto ab 24.08.2016.
Mit Schreiben vom 20.09.2016 bat der Kläger die Beklagte, die Berechnung des Krankengeldes noch einmal zu überarbeiten, da nach seiner Auffassung bei unterschiedlichen monatlichen Einkommen deren Durchschnitt aus den letzten drei Monaten der Krankengeldberechnung zugrunde zu legen sei. Zum Beleg legte der Kläger eine Krankengeldberechnung der Beklagten für ihn aus dem Jahr 2010 vor.
Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 22.09.2016, dass bei einer Entlohnung nach Stunden, wie aktuell vom Arbeitgeber des Klägers angegeben, immer vom letzten Entgelt-abrechnungszeitraum vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Demgegenüber habe der Arbeitgeber des Klägers im Jahr 2010 einen festen Monatslohn angegeben, was bei Schwankungen u.U. zu einer Berechnung aufgrund der letzten drei abgerechneten Monate führe.
Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 27.09.2016, dass er regelmäßig täglich neun Stunden und damit wöchentlich 45 Stunden arbeite. Er legte seine Lohnabrechnungen von Dezember 2015 bis Juni 2016 vor. Daraus ist zu ersehen, dass dem Kläger Lohn für 20 Überstunden jeweils für Dezember 2015 und Januar 2016 ausbezahlt wurde sowie jeweils für 15 Überstunden für die Monaten Februar, März, April und Juni 2016. Für Mai 2016 wurden dagegen keine Überstunden ausbezahlt, der Kläger war vom 03.05.2016 bis zum 24.05.2016 krank und erhielt Entgeltfortzahlung für 123,50 krankheitsbedingt ausgefallene Stunden.
Die Beklagte wiederum teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17.10.2016 mit, welche Daten dessen Arbeitgeber für die Krankengeldberechnung übermittelt hatte, und erläuterte, dass für eine Berücksichtigung von Mehrarbeitsstunden in den Monaten April, Mai und Juni 2016 jeweils mindestens eine Stunde Mehrarbeit erforderlich gewesen wäre. Im Mai seien aber aufgrund der Mitteilung des Arbeitgebers keine Mehrarbeitsstunden geleistet worden.
Mit Schreiben vom 09.11.2016 legte der Kläger der Beklagten seine Monatslohnauswertungen von April, Mai und Juni 2016 vor. Daraus ist ersichtlich, dass die Sollarbeitszeit jeweils montags bis donnerstags acht Stunden täglich und freitags 6,5 Stunden, also insgesamt 38,5 Stunden pro Woche beträgt. Laut den Monatslohnauswertungen leistete der Kläger
- im April 2016 insgesamt 19 Stunden 47 Minuten Mehrarbeit (wovon wegen der Überstundenabgeltung von 15 Stunden nur 4 Stunden 47 Minuten dem Gleitzeitkonto des Klägers gutgeschrieben wurden),
- im Mai - an insgesamt nur vier Arbeitstagen wegen Krankheit vom 03.05.-24.05.2016 - 6 Stunden 34 Minuten Mehrarbeit (die mangels Überstundenabgeltung im Mai komplett dem Gleitzeitkonto des Klägers gutgeschrieben wurden) und
- im Juni 13 Stunden 9 Minuten (die sich zusammen mit dem Überstundenbestand im Gleitzeitkonto von 26 Stunden 59 Minuten auf 40 Stunden 8 Minuten ...