Zusammenfassung
Existieren mehrere Gesellschafterlisten, ist die Liste entscheidend, die zuletzt in den Registerordner aufgenommen worden ist.
Hintergrund
Dem Beschluss des Kammergerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die betreffende GmbH wurde im Dezember 2019 gegründet. Die eingereichte Gesellschafterliste wies zwei Gesellschafter aus: Die Gesellschafterin A mit 26,7 % und die CH UG mit 73,3 % Beteiligung am Stammkapital. H war Geschäftsführer der GmbH und zugleich Geschäftsführer sowie Alleingesellschafter der CH UG.
Am 2.11.2020 wurde von einem Notar eine Gesellschafterliste an das Handelsregister übermittelt, welche nur noch die A als Alleingesellschafterin auswies. Die Liste enthielt einen Hinweis auf darauf, dass die CH UG ihre Geschäftsanteile an die A übertragen hatte (Ausübung von Investorenrechten). Am 5.11.2020 übermittelte der Geschäftsführer H eine weitere Gesellschafterliste an das Handelsregister, die wiederum beide Gesellschafter (Gesellschafterin A und die CH UG) mit den ursprünglichen Beteiligungen auswies. Diese Liste enthält den Hinweis "Korrektur unrichtiger Eintragung". Beide Gesellschafterlisten wurden am 11.11.2020 in den Registerordner aufgenommen.
Durch Beschluss vom 7.12.2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Unter Verzicht auf die Einhaltung von Form und Fristen führte die A am 29.12.2020 allein eine Gesellschafterversammlung durch, berief den Geschäftsführer H ab und bestellte B zum Liquidator, der seine Bestellung sodann zur Eintragung in das Handelsregister anmeldete.
Das Registergericht wies die beantragte Eintragung mit der Begründung zurück, dass die CH UG als Mitgesellschafterin nicht an dem Beschluss beteiligt wurde. Maßgebend sei die Gesellschafterliste vom 5.11.2020. Ausweislich dieser Liste war auch die CH UG Gesellschafterin der GmbH. Hiergegen haben A und B Beschwerde erhoben. Sie sind der Auffassung, die Abberufung sei wirksam beschlossen worden. Erstens sei die Gesellschafterliste vom 5.11.2020 ohne Anhörung der A treuwidrig erstellt worden und zweitens sei die CH UG aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 3.12.2020 verpflichtet, die A als Alleingesellschafterin zu behandeln.
Der Beschluss des Kammergerichts vom 29.11.2021 – 22 W 55/21
Das Kammergericht hat beide Beschwerden zurückgewiesen. Die Gesellschafterin A sei schon nicht befugt, die Beschwerde zu erheben, denn sie ist nicht in ihren Rechten verletzt. Als Gesellschafterin sei sie allenfalls mittelbar beeinträchtigt, was für eine Beschwerde jedoch nicht ausreiche. Zudem werde ein Liquidator nur auf Antrag in das Handelsregister eingetragen. In diesen Fällen könne nur derjenige die Beschwerde erheben, der den Antrag gestellt hat. Das war hier der B.
Das Kammergericht hat aber auch die Beschwerde des B zurückgewiesen, da die Entscheidung des Registergerichts richtig sei. B sei nicht wirksam zum Liquidator bestellt worden. Dieses Ergebnis beruhe allerdings nicht auf der Tatsache, dass die Gesellschafter die Befugnis zur Bestellung von Vertretungsorganen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verloren hätten. Denn auch im Insolvenzverfahren behalten die Gesellschafter und Geschäftsführer ihre Befugnisse. Dem Insolvenzverwalter steht nur die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH zu, nicht aber solche Maßnahmen, die in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter fallen.
Allerdings habe das Registergericht zu Recht erkannt, dass der gefasste Beschluss unwirksam ist. Eine Anmeldung wegen eines Wechsels des Vertretungsorgans erfordere die Prüfung, ob die Abberufung und die Bestellung ordnungsgemäß beschlossen worden seien. Hierzu sei das Registergericht befugt. Bei dem gefassten Beschluss falle auf, dass die CH UG nicht beteiligt worden war. Maßgebend sei die Gesellschafterliste vom 5.11.2020. Existieren mehrere Gesellschafterlisten, sei die Liste entscheidend, die zuletzt in den Registerordner aufgenommen worden ist. Sind hingegen mehrere Listen am selben Tag in den Registerordner aufgenommen worden, ohne dass die Reihenfolge aus sich heraus ersichtlich ist, sei die jüngere Liste – hier die vom 5.11.2020 – als zuletzt aufgenommene Liste anzusehen.
Dagegen spreche auch nicht, dass eine einstweilige Verfügung vorliegt, die die CH UG verpflichtet, die A als Alleingesellschafterin zu behandeln. Zwar musste die CH UG die A aufgrund dieser einstweiligen Verfügung als Alleingesellschafterin behandeln und konnte demgemäß kein Stimmrecht ausüben. Das änderte aber nichts daran, dass die CH UG ein Teilnahmerecht an der Versammlung hatte und Rechte auf eine Beschlussmängelklage hätte ausüben können.
Praxishinweis
Der vom Kammergericht entschiedene Fall ist nicht überraschend oder revolutionär. Er bestätigt die feststehenden Regeln über den Umgang mit Gesellschafterlisten und klärt zudem weitere entscheidende Fragen, die typischerweise mit Beschlüssen rund um konkurrierende Gesellschafterlisten zusammenhängen.
Das Kammergericht verdeutlicht einmal...