Leitsatz
Seit 1.1.2008 ist ein neues Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Kraft. Wie in solchen Fällen üblich hat der Gesetzgeber für Altverträge den Versicherungsgesellschaften eine 1-jährige Frist zur Anpassung ihrer allgemeinen Versicherungsbedingungen an die neue Gesetzeslage gesetzt. Strittig ist, was geschieht, wenn die Versicherung diese Frist ungenutzt verstreichen lässt. Hier ging es um Folgen eine Obliegenheitsverletzung bei Frostschäden.
Sachverhalt
Ein Versicherungsnehmer hatte eine Gebäudeversicherung abgeschlossen. Der Versicherungsvertrag begründete die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, bei nicht beheizten, leerstehenden Gebäuden während der Frostperiode die Wasserleitungen zu entleeren und regelmäßige Kontrollen des Gebäudes durchzuführen. Diese Obliegenheit hatte der Versicherungsnehmer grob fahrlässig nicht erfüllt. Es kam zu Frostschäden.
Nach § 28 VVG a.F. entfiel für den Fall der grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung der Versicherungsschutz. Demgegenüber ist nach § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG n.F. die Versicherung lediglich zu einer angemessenen Leistungskürzung berechtigt. Im Urteilsfall hatte es die Versicherung versäumt, ihre allgemeinen Versicherungsbedingungen fristgerecht anzupassen. Dennoch regulierte sie unter Hinweis auf die neue Gesetzeslage die Hälfte des Schadens. Dies genügte dem Versicherungsnehmer nicht.
Obwohl die Versicherung den Schaden nach der für den Versicherungsnehmer günstigeren neuen Gesetzeslage reguliert hatte, gab ihr der BGH nicht recht. Infolge der Versäumung der Anpassungsfrist sind die an der alten Gesetzeslage orientierten Vertragsbedingungen nach Ansicht der Richter unwirksam geworden. Hierdurch sei eine Vertragslücke entstanden. Eine vertragliche Regelung für die Rechtsfolgen einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung existiere damit nicht mehr. Nach Auffassung der BGH-Richter kann diese Vertragslücke nicht geschlossen werden. Nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG habe der Gesetzgeber eine spätere Lückenfüllung bei fehlender Vertragsanpassung ausschließen wollen. Die Rechtsfolge, dass die Fristversäumung zulasten des Versicherers gehe, sei gewollt. Dennoch hat der BGH in der Sache keine eigene Sachentscheidung getroffen, sondern den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Versicherung könne nicht nur aus dem Gesichtspunkt der Obliegenheitsverletzung sondern auch wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 Abs. 2 VVG leistungsfrei geworden sei.
Auch der Gesichtspunkt grob fahrlässiger Gefahrerhöhung nach §§ 23ff VVG könnte nach § 26 Abs. 1 Satz 2 VVG zu einer Leistungskürzung führen. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sind, muss die Vorinstanz klären.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 12.10.2011, IV ZR 199/10.