Thomas Busching, Knut Unger
Rz. 142
Im Fall einer Insolvenz der Gesellschaft gibt es im singapurischen Recht je nach deren finanzieller Lage grundsätzlich vier Möglichkeiten:
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das Scheme of Arrangement, |
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das Judicial Management, |
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das Receivership sowie |
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die Liquidation (Winding Up). |
Während die ersten drei Möglichkeiten auf die Fortführung der Gesellschaft abzielen, führt die Liquidation zur Auflösung der Gesellschaft und zur Einstellung des Geschäftsbetriebes.
Rz. 143
Das zum 30.7.2020 in Kraft getretene Insolvency, Restructuring and Dissolution Act 2018 (IRDA) vereint die gesetzlichen Bestimmungen zur Privatinsolvenz, Unternehmensinsolvenz und zu Restrukturierungen in einem einzigen Gesetz und ersetzt damit die im Companies Act und Bankruptcy Act vormals vorhandenen Liquidationsvorschriften.
Rz. 144
Eine der wichtigsten Neuregelungen des IRDA ist die Einschränkung von sog. ipso facto clauses. Es handelt sich dabei um Klauseln, die die Kündigung bzw. Änderungen eines Vertrages bei Eintreten eines bestimmten auslösenden Ereignisses, wie z.B. Insolvenz oder Umstrukturierung des Unternehmens, erlauben. Mit Einführung des IRDA ist die Verwendung einer solchen Klausel nicht mehr uneingeschränkt möglich, insbesondere ist der Eintritt der Insolvenz allein nicht mehr ausreichender Kündigungs- oder Änderungsgrund. Ausnahmen hierzu gibt es für bestimmte Kategorien von Verträgen, wie beispielswiese bestimmte Finanzverträge oder kommerzielle Schiffscharterverträge. Hintergrund dieser Änderung ist der Gesetzeswille, den Geschäftsbetrieb von Unternehmen für Restrukturierungen aufrechtzuerhalten, deren Fortführung regelmäßig von dem Bestehen wesentlicher Verträge abhängig ist.
Rz. 145
Eine Gesellschaft befindet sich in der Krise, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen (inability to pay its debts). Unterschieden wird dabei zwischen wirtschaftlicher und bilanzieller Insolvenz. Wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre Schulden bei Fälligkeit zu begleichen, so liegt cash flow oder commercial insolvency vor. Ist der Wert der Aktiva eines Unternehmens geringer als die Höhe seiner Verbindlichkeiten, wobei sowohl Eventualverbindlichkeiten als auch voraussichtliche Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, so spricht man von balance sheet insolvency.
Rz. 146
Der Insolvenzantragsteller muss nachweisen, dass die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen. Dabei bestehen zwei gesetzliche Vermutungen der Insolvenz zugunsten der Gläubiger. Ein Gläubiger, dem mehr als 15.000 SGD geschuldet werden, kann der Gesellschaft an ihre registrierte Firmenadresse eine Aufforderung zur Zahlung der geschuldeten Summe schicken (statutory demand). Bezahlt oder sichert die Gesellschaft die Forderung nicht innerhalb von drei Wochen, wird sie als zahlungsunfähig betrachtet. Darüber hinaus wird die Gesellschaft als zahlungsunfähig betrachtet, wenn die Zwangsvollstreckung oder ein anderes auf einem Urteil, einer Verfügung oder einem Beschluss eines Gerichts beruhendes Vorgehen zur Befriedigung der Gläubiger ganz oder teilweise scheitert.
Rz. 147
Eine Pflicht der Geschäftsführer zur Stellung eines Insolvenzantrages kennt das singapurische Recht nicht. Allerdings haften die Geschäftsführer u.U. auf Schadensersatz, wenn sie trotz Kenntnis oder grob fahrlässiger (gross negligence) Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft in deren Namen Rechtsgeschäfte abschließen, ohne dass vernünftigen Gründe vorliegen, aus denen sich ableiten ließe, dass die Gesellschaft in der Lage sein werde, diese vollständig zu erfüllen.
Rz. 148
Unabhängig von der Zahlungsunfähigkeit besteht die Möglichkeit eine Gesellschaft zu liquidieren, wenn sie gesetzliche Pflichten dauerhaft nicht wahrnimmt, wie beispielsweise wenn eine Gesellschaft offizielle Anfragen nicht innerhalb der gesetzten Frist beantwortet, die jährliche Gesellschafterversammlungen nicht abhält oder Jahresabschlüsse nicht einreicht.