Leitsatz
Einen Tag vor der Eheschließung wurde in einem Ehevertrag zwischen der russischen Ehefrau und dem deutschen Ehemann der Versorgungsausgleich ausgeschlossen und wechselseitig auf jeden Unterhalt auch für den Fall der Not verzichtet. Nach der Eheschließung wurde außerdem Gütertrennung vereinbart. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war die Ehefrau bereits erkrankt, was dem Ehemann bekannt war.
Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens verlangte die Ehefrau Zahlung nachehelichen Unterhalts. Es stellte sich die Frage der Wirksamkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Ehevertrages.
Sachverhalt
Der 1948 geborene Ehemann und die im Jahre 1960 geborene Ehefrau heirateten am 15.4.1997. Die Ehefrau war russische Staatsangehörige, der Ehemann deutscher Staatsangehöriger.
Einen Tag vor der Eheschließung schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, in dem sie deutsches Güterrecht wählten, den Zugewinn modifizierten, den Versorgungsausgleich ausschlossen und wechselseitig auf jeden nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not, verzichteten. Der Ehevertrag wurde unter Beiziehung einer Dolmetscherin geschlossen.
Die Ehefrau war Klavierlehrerin und der deutschen Sprache nicht mächtig. Sie war Ende 1996 mit ihrem 1988 geborenen Sohn aus einer anderen Beziehung aus Russland mit einem Besuchervisum in die Bundesrepublik eingereist, nachdem die Parteien sich im Laufe des Jahres 1996 über Brief- und Telefonkontakte kennen gelernt hatten.
In einem weiteren, am 15.10.1997 geschlossenen notariellen Ehevertrag, vereinbarten die Parteien Gütertrennung.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses der ersten Ehevertrages war die Ehefrau bereits an Multipler Sklerose erkrankt. Allerdings war dies zunächst falsch und erst im Mai 1997 klinisch sicher diagnostiziert worden. Die Ehefrau war seit Oktober 1997 erwerbsunfähig und vollständig gehunfähig, auf einen Rollstuhl angewiesen und pflegebedürftig. Sie hat behauptet, dass dem Ehemann die Diagnose "Multiple Sklerose" bereits bei Abschluss des ersten Ehevertrages gekannt gewesen sei. Außerdem habe ihr vor und bei Abschluss dieses Vertrages keine Übersetzung in die russische Sprache vorgelegen.
Sei Oktober 2001 lebten die Parteien, aus deren Ehe Kinder nicht hervorgegangen waren, voneinander getrennt. Die Ehefrau hatte inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens beanspruchte sie nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit.
Das AG hat die Ehe geschieden und die Unterhaltsklage abgewiesen. Das OLG hat den Ehemann zur Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. monatlich 795,00 EUR verurteilt; im Übrigen hat es die Unterhaltsklage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Ehefrau zurückgewiesen.
Mit der auf den Unterhalt beschränkten zugelassenen Revision begehrte der Ehemann Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils zum Ehegattenunterhalt.
Sein Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BGH teilte die Auffassung des OLG, wonach der Ehemann sich auf den vereinbarten Unterhaltsverzicht nicht berufen könne. Dieser Verzicht sei vielmehr im Wege der Ausübungskontrolle (§§ 242, 313 BGB) durch die gesetzliche Unterhaltsregelung zu ersetzen.
Ebenso wie das OLG vertrat der BGH die Auffassung, der Unterhaltsverzicht halte einer Wirksamkeitskontrolle stand. Der Vortrag der Ehefrau, die ihre eigenen Beweggründe, den geplanten Zuschnitt der Ehe sowie ihre eigenen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse und Erwartungen nicht näher dargelegt habe, rechtfertige die Annahme einer Zwangslage nicht. Auch eine Zwangslage wegen mangelnder Sprachkenntnisse habe nicht bestanden. Auch der Umstand, dass beiden Parteien bei Vertragsschluss unstreitig jedenfalls eine "untersuchungsbedürftige Krankheit" bekannt gewesen sei, reiche zur Annahme einer Zwangslage nicht aus.
Allerdings stelle sich der Unterhaltsverzicht nunmehr - nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Trennung der Parteien - als eine evident einseitige Lastenverteilung dar, deren Hinnahme der Ehefrau nicht zugemutet werden könne. Da die Parteien bei Eingehung der Ehe von der Schwere der Erkrankung der Ehefrau und deren damit einhergehender - wohl lebenslanger - Pflegebedürftigkeit noch keine Kenntnis gehabt hätten, sei die ursprüngliche, dem Ehevertrag zugrunde liegende Lebensplanung noch im Jahre der Eingehung der Ehe zerbrochen und hinfällig geworden. Zumindest habe sich ein gemeinschaftlich getragenes Risiko realisiert. Die Berufung des Ehemannes auf den Unterhaltsverzicht verletze unter diesen Umständen das Gebot der nachehelichen Solidarität und sei daher rechtsmissbräuchlich. Es sei geboten und angemessen, der Ehefrau wieder den Schutz der gesetzlichen Regelung über den nachehelichen Unterhalt - hier in Gestalt des Krankheitsunterhalts - zu eröffnen.
Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen dürfe nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden könne. Eine Gesamtwürdigung führe - entgegen der Auffassung de...