Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger ist bereits dann ein "im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger" i.S.d. Gemeinschaftsrechts, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat. Bei der Übertragung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ist daher ausschließlich auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des leistenden Unternehmers abzustellen – auf den privaten Wohnsitz kommt es dann nicht mehr an.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmerverleiher verlegte den Unternehmenssitz von Deutschland nach Österreich. Trotz Verlegung auch des Privatwohnsitz nach Österreich hielt er sich noch häufig in Deutschland auf. Die an deutsche Unternehmern ausgeführten Leistungen berechnete der Arbeitnehmerverleiher ohne Umsatzsteuer und mit Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG. Das Finanzamt verneinte die Reverse-Charge-Regelung wegen des "Wohnsitzes" des Arbeitnehmerverleihers im Inland.
Die Personalgestellung im Urteilsfall unterliegt der deutschen Umsatzsteuer (§ 3a Abs. 4 Nr. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. bzw. ab dem 1.1.2010 § 3a Abs. 2 UStG n.F.). Führt ein im Ausland ansässiger Unternehmer eine Werklieferung oder sonstige Leistung in Deutschland steuerpflichtig aus, wird (anstatt des Leistenden) der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner, soweit er Unternehmer ist (Reverse-Charge). Nach § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG ist ein Unternehmer im Ausland ansässig, wenn "weder im Inland noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat" (bis 31.12.2009 war anstelle der "Betriebsstätte" die "Zweigniederlassung" genannt).
Nach Auffassung des EuGH (Vorlagebeschluss BFH v. 30.6.2010, XI R 5/08) stellt die Reverse-Charge-Regelung des § 13b UStGausschließlich auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des leistenden Unternehmers ab. Der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des Leistenden ist ausnahmsweise ausschlaggebend, wenn einschlägige Angaben zum Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder zur festen Niederlassung fehlen. Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit ist u.a. der statutarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung sowie der Treffpunkt der Führungskräfte maßgeblich.
Hinweis
Berechnet der Leistende trotz Vorliegens des § 13b UStG in einer Rechnung gesondert Umsatzsteuer, erhält der Leistungsempfänger aus der Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG keinen Vorsteuerabzug.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 06.10.2011, C-421/10