Rz. 47

Das allographe Testament in qualifizierter Form gemäß § 476c BGB ist nur für Erblasser vorgesehen, die infolge gesundheitlicher oder sonstiger Einschränkungen nicht lesen oder schreiben können. Diese Form des Testaments ist auch im Falle von mangelndem Seh- oder Hörvermögen[30] erforderlich.

 

Rz. 48

Nach § 476c Abs. 1 BGB erklärt ein solcher Erblasser seinen letzten Willen zur Urkunde vor drei gleichzeitig anwesenden Zeugen. Die Urkunde ist vorzulesen und von den Zeugen zu unterschreiben. Dabei muss der Erblasser vor den Zeugen bestätigen, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält. Die Urkunde kann auch von einem der Zeugen geschrieben und vorgelesen werden. Derjenige, der sie geschrieben hat, darf sie jedoch nicht auch vorlesen.

 

Rz. 49

Das Testament in dieser Form muss folgende Angaben enthalten:

ausdrückliche Angabe, dass der Erblasser nicht schreiben oder lesen kann,
wer das Testament geschrieben hat,
wer das Testament gelesen hat,
auf welcher Weise der Erblasser bestätigt, dass das Testament seinen ernsten letzten Willen enthält.
 

Rz. 50

Bei der Errichtung des qualifizierten allographen Testaments ist somit die Mitwirkung von drei Zeugen, eines Schreibers und eines Vorlesers des Testaments erforderlich. Die Zeugen können bei der Errichtung des Testaments auch als Schreiber oder Vorleser tätig sein. Der Schreiber kann jedoch nicht auch Vorleser sein.[31]

Im Unterschied zum einfachen allographen Testament wird bei dieser Testamentsform vorausgesetzt, dass die Zeugen mit dem Text des Testaments und damit, dass dieser Text den letzten Willen des Erblassers beinhaltet, bekannt gemacht wurden.

 

Rz. 51

Schreiber des Testaments ist die Person, die den letzten Willen des Erblassers schriftlich erfasst hat. Die Person des Schreibers muss die gleichen Bedingungen wie ein Zeuge erfüllen.

 

Rz. 52

Der Vorleser des Testaments liest das Testament dem Erblasser und den Zeugen vor. Für die Person des Vorlesers gelten dieselben Anforderungen wie für die Zeugen und den Schreiber des Testaments.

 

Rz. 53

Für den Fall, dass einer der Zeugen, der Schreiber oder der Vorleser die oben angeführten Bedingungen im Verhältnis zu einem von mehreren Erben, die zum Erben aufgrund dieses Testaments berufen wurden, nicht erfüllt, ist das Testament nur in dem Teil ungültig, der diesen Erben betrifft.[32]

 

Rz. 54

Alle beteiligten Personen (d.h. der Erblasser, Zeugen, der Schreiber und der Vorleser) müssen während des gesamten Vorgangs der Errichtung des Testamentes gleichzeitig anwesend sein. Der Vorgang der Errichtung des Testamentes besteht nach der Rechtsprechung aus folgenden Schritten:

Erklärung des Erblassers über seinen letzten Willen,
Verfassen des Testaments,
Vorlesen des Testaments,
Bestätigung des Erblassers, dass das vorgelesene Testament seinen letzten Willen beinhaltet,
Unterzeichnen des Testaments von den Zeugen.

Auch hierbei gilt, dass sowohl das einfache als auch das qualifizierte allographe Testament in der Sprache nach der Wahl des Erblassers errichtet werden kann. Erforderlich ist nur, dass alle beteiligten Personen diese Sprache beherrschen.

 

Rz. 55

In § 476d Abs. 3 und 4 BGB wurden Sonderformen des qualifizierten allographen Testaments verankert. So können neben der Möglichkeit des notariellen Testaments im Sinne des § 476d Abs. 1 BGB die Personen ohne Seh- und Hörvermögen ihren letzten Willen vor drei gleichzeitig anwesenden Zeugen zu einer Urkunde erklären. Im Weiteren unterliegen diese Sonderformen des Testaments denselben gesetzlichen Bedingungen wie das qualifizierte allographe Testament gemäß § 476c BGB.

[30] § 476d Abs. 3 BGB; § 476 Abs. 4 BGB.
[31] Vojčík et al, Občiansky zákonník – Stručný komentár, S. 599.
[32] Fekete, I., Občiansky zákonník –- Veľký komentár, S. 172.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge