I. Vermögensteilung
Rz. 55
Wird eine Ehe durch Scheidung beendet, ist die Aufteilung des Gesamtgutes vorzunehmen (Art. 71 Abs. 1 S. 1). Die Ehegatten können eine Vereinbarung über die Höhe der Anteile am Gesamtgut treffen oder eine Festsetzung durch das Gericht beantragen (Art. 73). Bei einer einvernehmlichen gerichtlichen Scheidung ist die in Form eines vollstreckbaren Notariatsaktes getroffene Vereinbarung über die Aufteilung des Gesamtgutes eine Voraussetzung derselben (Art. 96 Abs. 1). Gegenstand der Vereinbarung sind der Umfang des Gesamtgutes, der Anteil des einzelnen Ehegatten am Gesamtgut sowie die Art der Aufteilung, die von den Ehegatten selbst vorgenommen wird. Eine Einigung über die Aufteilung der Verbindlichkeiten hat gegenüber den Gläubigern keine Wirkung; die solidarische Haftung bleibt aufrecht, die Vereinbarung wirkt im Innenverhältnis als Grundlage für die Aufteilung der Verbindlichkeiten (Art. 82 Abs. 2). Auch eine einvernehmliche Scheidung vor einem Notar ist an eine Einigung bezüglich der Aufteilung des Gesamtgutes gekoppelt (Art. 97 Abs. 1).
Rz. 56
Beantragen die Ehegatten eine Aufteilung des Gesamtgutes durch das Gericht, hat dieses den Grundsatz zu beachten, dass die Anteile der Ehegatten gleich hoch sind. Den Ehegatten steht jedoch der Beweis offen, dass sie zu den Vermögenswerten des Gesamtgutes in einem anderen Verhältnis beigetragen haben (Art. 74 Abs. 1). Im Streitfall berücksichtigt das Gericht für die Bestimmung der Anteile nicht nur das Einkommen jedes Ehegatten, sondern gem. Art. 74 Abs. 2 insbesondere die Kinderbetreuung, gegenseitige Beistandsleistungen, die Haushaltsführung oder Verwaltung des Gesamtgutes. Die Verbindlichkeiten und Forderungen der Ehegatten in Bezug auf das Gesamtgut sind bei der Anteilsbestimmung zu berücksichtigen (Art. 72). Auf Antrag eines Ehegatten sind ihm unter Anrechnung auf seinen Anteil insbesondere jene Gegenstände zuzuteilen, die für die Erzielung seines Einkommens sowie seinen persönlichen Gebrauch bestimmt sind (Art. 76).
Rz. 57
Gegenseitige übliche Geschenke – vor oder während der Ehe – sind nicht zurückzugeben, sofern sie in Bezug auf die Vermögensverhältnisse der Ehegatten verhältnismäßig sind. Andere Geschenke, insbesondere jene, die in einem Missverhältnis zur Vermögenslage des Geschenkgebers stehen, sind mangels abweichender Vereinbarung (Notariatsakt) zurückzustellen, und zwar in dem Zustand, in dem sie sich bei der Einbringung der Klage auf Rückgabe befunden haben. An die Stelle veräußerter Geschenke tritt der dafür erhaltene Wert oder die erhaltene Sache (Art. 110).
II. Nachehelicher Unterhalt
Rz. 58
Der mittellose und unverschuldet erwerbslose Ehegatte hat einen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Ehegatten (Art. 100 Abs. 1). Die Beurteilung der fehlenden Versorgung des Ehegatten umfasst auch eine Prognose der sozialen Sicherheit und somit eine Beurteilung von Umständen, deren Vorliegen in der Zukunft mehr oder weniger gewiss ist. Ein Unterhaltsanspruch besteht nach der Rechtsprechung nicht nur in jenen Fällen, in denen der Ehegatte nicht über die erforderlichen Mittel für die notwendigsten Lebenserhaltungskosten oder über keine Mittel verfügt (und sie nicht selbst erwerben kann), sondern auch dann, wenn sich die sozialen Verhältnisse und die Vermögensverhältnisse eines Ehegatten aufgrund der Scheidung wesentlich ändern (verschlechtern). Eine bloße Minderung des Lebensstandards aufgrund der Scheidung begründet für sich allein jedoch keinen Unterhaltsanspruch.
Rz. 59
Der Unterhalt ist zu versagen, wenn die Gewährung des Unterhalts unter Berücksichtigung der Gründe, die zur Unzumutbarkeit der Ehe geführt haben, unbillig wäre oder der Berechtigte – vor oder nach der Scheidung – gegen den Unterhaltspflichtigen, dessen Kinder oder Eltern eine Straftat begangen hat (Art. 100 Abs. 3). Die Unterhaltspflicht besteht nicht, wenn der Verpflichtete dadurch seinen eigenen oder den Unterhalt minderjähriger Kinder, denen gegenüber er gem. Art. 183 unterhaltspflichtig ist, gefährden würde (Art. 105). Das Gericht kann den Unterhaltsanspruch auch nur für eine bestimmte Dauer, die der andere Ehegatte für die Gestaltung seiner neuen Lebenssituation benötigt, gewähren (Art. 102).
Rz. 60
Umfang: Der Unterhalt ist unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Berechtigten und der Möglichkeiten des Verpflicht...