Der Bundesfinanzhof (BFH) widerspricht dem FG. Die Entnahme der Wohnung aus dem Betriebsvermögen ist keine Anschaffung i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Der BFH hob für 2010 und 2013 das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Für 2011 und 2012 wurde die Revision als unbegründet zurückgewiesen, da sich insoweit für X aufgrund der Steuerfestsetzung auf 0 EUR keine Beschwer ergab.
Entnahme ist keine Anschaffung
"Anschaffung" ist im Einkommensteuerrecht nicht definiert. Der Begriff wird vom BFH (ebenso in der Literatur) unterschiedlich interpretiert und jeweils aus seinem Sinnzusammenhang heraus nach dem Zweck der Vorschrift ausgelegt. Eine Anschaffung ist danach jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Wirtschaftsgut im Austausch mit einer Gegenleistung – also entgeltlich – erworben wird (BFH v. 25.6.2002, IX R 47/98, BStBl II 2002, S. 756, Rz. 12). Bei der Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen fehlt es indes an einer Gegenleistung.
Gesetzeswortlaut
Außerdem würde der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG überdehnt, wenn man unter "Anschaffung" auch die Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen verstehen wollte. Nach dem Wortsinn setzt eine "Anschaffung" den Übergang von Vermögen zwischen verschiedenen Personen voraus (BFH v. 23.4.1965, VI 34/62 U, BStBl III 1965, S. 477 zu § 23 Abs. 1 EStG). Bei der Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen desselben Steuerpflichtigen fehlt es am Rechtsträgerwechsel. Anders als in § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG wird in § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme nicht im Wege der Fiktion einer Anschaffung gleichgestellt.
Gesetzeszweck
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG dient der Gleichstellung von Investoren beim Erwerb von intakten Immobilien einerseits und von renovierungsbedürftigen Gebäuden andererseits (BFH v. 12.9.2001, IX R 39/97, BStBl II 2003, S. 569). Erstere Erwerber können die Anschaffungskosten nur im Wege der AfA geltend machen. Käufer einer renovierungsbedürftigen Immobilie, die einen geringeren Kaufpreis zahlen, könnten dagegen ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG die anschließenden Instandhaltungsmaßnahmen als sofort abziehbare Werbungskosten geltend machen, sodass es steuerlich vorteilhafter wäre, Objekte mit Renovierungsstau zu erwerben. Bereits die Anknüpfung am Erwerb spricht dafür, dass die Regelung auf einen tatsächlichen Anschaffungsvorgang mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und Rechtsträgerwechsel abzielt. Bei der Überführung in das Privatvermögen durch Entnahme besteht daher keine eine Analogie rechtfertigende vergleichbare Interessenlage.
15 %-Grenze
Schließlich fehlt es bei der Entnahme des Gebäudes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen an dem von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG festgelegten Maßstab in Gestalt der Grenze von "15 % der Anschaffungskosten" des Gebäudes. Denn der bei der Entnahme anzusetzende Teilwert erfüllt offensichtlich nicht die Tatbestandsmerkmale des Anschaffungskostenbegriffs. Auch in der Legaldefinition der Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB kommt durch den Begriff des Erwerbs das Erfordernis des Rechtsträgerwechsels zum Ausdruck.
Zurückverweisung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Dieses hat noch zu klären, ob die Aufwendungen für die Baumaßnahmen möglicherweise (ganz oder teilweise) Herstellungskosten darstellen, die ebenfalls lediglich im Wege der AfA zu berücksichtigen wären.