Rz. 16
Da die Voraussetzungen für die Zulassung eines Arzneimittels nach dem AMG den Mindestvoraussetzungen entspricht, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung an eine wirtschaftliche Verordnungsweise i. S. v. § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 gestellt werden (BSG, Urteil v. 8.3.1995 – Edelfosin), besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem SGB V und dem AMG. Zulassungspflichtige Arzneimittel, für die ein Zulassungsverfahren nicht durchgeführt oder denen die Zulassung zum Verkehr förmlich versagt worden ist, dürfen in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht verordnet werden. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel i. S. d. § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 sind, im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind die Anforderungen des SGB V an Pharmakotherapien mit Medikamenten, die nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedürfen, nur erfüllt, wenn sie eine solche Zulassung besitzen. Ohne die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt es an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (vgl. § 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) einer Arzneimitteltherapie (st. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil v. 8.6.1993, 1 RK 21/91; Urteil v. 23.7 1998, B 1 KR 19/96 R; Urteil v. 4.4.2006, B 1 KR 12/04 R Rz. 22 m. w. N. – D-Ribose). Die erforderliche Genehmigung kann sich aus nationalem Recht oder aus dem Recht der Europäischen Union ergeben, nicht aber aus ausländischem Recht. Eine bestehende Arzneimittelzulassung im Ausland (USA) entfaltet nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkungen für Deutschland. Weder das deutsche Recht noch das Recht der Europäischen Union sehen eine solche Erweiterung der Rechtswirkungen der nur von nationalen Behörden erteilten Zulassungen ohne ein entsprechendes vom Hersteller eingeleitetes sowie positiv beschiedenes Antragsverfahren vor (BSG, Urteil v. 27.3.2016, B 1 KR 10/16 R Rz. 12 – Avastin).
Rz. 17
Für ein Rezepturarzneimittel, das von dem Erfordernis der Zulassung nach dem AMG nicht erfasst wird, gilt im Ergebnis nichts anderes. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfen die Krankenkassen ihren Versicherten eine neuartige Therapie mit einem Rezepturarzneimittel, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss bisher nicht empfohlen ist, grundsätzlich nicht gewähren, weil sie an das Verbot des § 135 Abs. 1 Satz 1 und die das Verbot konkretisierenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gebunden sind (st. Rspr., vgl. BSGE 82 S. 233, 237 f. – Jomol; BSG, SozR 3-2500 § 135 Nr. 12 S. 55 f. – ASI; BSG, Urteil v. 28.3.2000, B 1 KR 11/98 R – ASI; Urteil v. 27.3.2007, B 1 KR 30/06 R Rz. 12). Das hat zur Folge, dass gemäß § 135 Abs. 1 neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach§ 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über
- die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zulasten der Krankenkassen erbrachte Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
- die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
- die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Rz. 18
Vor diesem Hintergrund haben die auf der Ermächtigungsgrundlage in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 beruhenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AM-RL) i. d. F. vom 18.12.2008/22.1.2009 (veröffentlicht auf der Homepage des Gemeinsamen Bundesausschusses im Internet unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-1507/AM-RL_2017-11-17_iK-2018-01-18_AT-17-01-2018-B1.pdf) ihren wesentlichen Sinn darin, das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1) zu konkretisieren (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 13 Nr. 4). Die Änderung des Abs. 1 Satz 1 durch das GMG (vgl. Rz. 9) hat allerdings dem damaligen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (heute Gemeinsamer Bundesausschuss) die Ermächtigung zum Ausschluss von Arzneimitteln aus der vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 geschaffen (vgl. dazu Rz. 29 ff.). Dies hat aber nichts daran geändert, dass dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach wie vor nicht die Befug...