Rz. 26
Der auf der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit durch das AMVSG (Rz. 4d) eingeführte Abs. 1b (nach der Änderung durch das GKV-FKG – vgl. Rz. 4h – nun Abs. 1b Satz 3) schafft eine weitere Sonderregelung, die den pharmazeutischen Unternehmer von der Pflicht zur Vorlage von Nachweisen nach Abs. 1 Satz 3 entbindet. Nach Abs. 1b Nr. 1 handelt es sich dabei um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nach § 34 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 1 für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nicht von der Versorgung ausgeschlossen sind. Abs. 1b Nr. 2 betrifft verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in bestimmten Anwendungsgebieten, die für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nach § 34 Abs. 1 Satz 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind. Für diese Arzneimittel, die nur für Versicherte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zulasten der Krankenkasse verordnet werden, besteht ebenfalls keine Vorlagepflicht (BT-Drs. 18/11449 S. 33 f.).
Rz. 26a
Die aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) durch das GKV-FKG (vgl. Rz. 4h) in Abs. 1b neu eingefügten Sätze 1 und 2 stellen klar, dass zugelassene Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products – ATMP) i. S. v. § 4 Abs. 9 AMG ausschließlich Gegenstand der Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a sind. Dabei handelt es sich um Arzneimittel für die Anwendung bei Menschen, die auf Genen, Geweben oder Zellen basieren und innovative Möglichkeiten zur Behandlung von Krankheiten und Verletzungen eröffnen. Der Anwendungsbereich ist auf zugelassene ATMP beschränkt. Das sind solche Arzneimittel, die das zentralisierte europäische Zulassungsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 durchlaufen haben. Der Gesetzgeber sah dies als sachgerecht an, da im Rahmen des Zulassungsverfahrens für ATMP der Wirkstoff einschließlich des für die Anwendung erforderlichen ärztlichen Behandlungsanteils wie bei jedem anderen Fertigarzneimittel auf Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität geprüft und nach erfolgreicher Prüfung arzneimittelrechtlich zum Verkehr zugelassen werden (BT-Drs. 19/17155 S. 126 f.). Damit werden von der Regelung nicht erfasst Arzneimittel, die nach § 4b Abs. 3 AMG nur auf nationaler Ebene genehmigt werden. Mit der Regelung ist nunmehr auch geklärt, dass der gemeinsame Bundesausschuss nicht mehr beurteilen muss, ob ein zugelassenes ATMP der Methodenbewertung nach §§ 135,137c oder 137h oder der Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a unterliegt (vgl. BSG, Urteil v. 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R). Die Einordnung der zugelassenen ATMP als Arzneimittel hat zur Folge, dass diese unmittelbar mit Zulassung nicht nur für die Versorgung im Krankenhaus, sondern auch für die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehen. Die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungsanteile wird dabei, soweit erforderlich, durch eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs gemäß § 87 Abs. 5b Satz 5 geregelt.
Satz 2 nimmt ausdrücklich biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte aus. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bei allen Arzneimitteln, die in diese Kategorie von ATMP fallen, in der Vergangenheit festgestellt, dass ihre Anwendung aufgrund des hohen ärztlichen Behandlungsanteils als Methode einzustufen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird daher auch künftig im Einzelfall zu entscheiden haben, ob es sich bei dem entsprechenden ATMP im sozialrechtlichen Sinn um eine Methode oder um ein Arzneimittel handelt.
Rz. 26b
Der durch das GKV-FKG (vgl. Rz. 4h) aufgrund der Beschlussempfehlung des 14. Ausschusses neu eingefügte Abs. 1c trägt dem Umstand Rechnung, dass aufgrund von Resistenzen gegen vorhandene Antibiotika vermehrt wirksame Arzneimittel zur Behandlung von bakteriellen Infektionen fehlen. Das seinerzeitige Bundeskabinett hatte bereits am 13.5.2015 die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART 2020 zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen auf allen Ebenen verabschiedet. Die WHO veröffentlichte 2017 eine Liste antibiotikaresistenter Bakterien, die sie als größte Bedrohung der menschlichen Gesundheit sieht (https://www.who.int/en/news-room/detail/27-02-2017-who-publishes-list-of-bacteria-for-which-new-antibiotics-are-urgently-needed). Nunmehr hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung durch Abs. 1c bestimmt, dass Reserveantibiotika im Verfahren zur Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen gesondert behandelt werden, um einen stärkeren Anreiz für die Entwicklung von Reserveantibiotika zu schaffen.
Gemäß Satz 1 hat der Gemeinsame Bundesausschuss den pharmazeutischen Unternehmer auf einen entsprechend begründeten Antrag (Satz 2) zur Vorlage der Nachweise nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 freizustellen, wenn es sich um ein Antibiotikum handelt, das gegen durch...