2.2.12.1 Rechtsentwicklung der KVdR
Rz. 219
Die KVdR war durch das Gesetz v. 12.6.1956 (BGBl. I S. 500) in die Vorschriften der RVO übernommen worden. Die für die Krankenversicherungspflicht als Rentner erforderlichen Voraussetzungen und die zu zahlenden Beiträge waren mehrfach geändert worden (vgl. K. Peters, in: KassKomm. SGB V, § 5 Rz. 120 ff., Stand: September 2015; Schumacher/Basel, a. a. O.; BSG, Urteil v. 26.6.1996, 12 RK 8/95).
Rz. 220
Mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) v. 27.6.1977 (BGBl. I S. 1069) war die KVdR bei einem Rentenantrag nach dem 30.6.1977 erstmals davon abhängig gemacht worden, dass die Rentner die Hälfte der Zeit seit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (frühestens dem 1.1.1950) bis zur Stellung des Rentenantrages gesetzlich versichert waren (Halbbelegung). Diese Rechtslage bestand bis 31.12.1988 (§ 165 Abs. 1 Nr. 3a RVO).
Rz. 221
Die Übernahme der Rentner in das SGB V erfolgte unter Verschärfung dieser Zugangsvoraussetzung, indem statt der Halbbelegung eine Vorversicherungszeit von 9/10 in der zweiten Hälfe der Zeit zwischen erstmaliger Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und der Stellung des Rentenantrages für die KVdR erforderlich wurde.
Als Vertrauensschutzregelung bestimmte Art. 56 Abs. 2 Gesundheitsreformgesetz (GRG), dass eine nach dem bis 31.12.1988 geltenden Recht (§ 165 Abs. 1 Nr. 3a RVO) bestehende Mitgliedschaft in der KVdR weiterbestand, auch wenn die strengeren Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 nicht erfüllt wurden, solange diese Rente bezogen bzw. das Rentenantragsverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen war. Auch die absolute Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3 war für diese Rentner, insbesondere auch die pensionierten Beamten mit Ansprüchen auf Beihilfe, die sonst nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 versicherungsfrei geworden wären, nicht anwendbar (Art. 56 Abs. 3).
Als Übergangsregelung für Rentenantragstellungen ab 1.1.1989 war in Art. 56 Abs. 1 Gesundheitsreformgesetz (GRG) bestimmt, dass bei Rentenantragstellung bis 31.12.1993 noch die Halbbelegung ausreichte, wenn die 9/10-Vorversicherungszeit nicht erreicht wurde. Die Rahmenfrist begann frühestens am 1.1.1950. Die KVdR konnte in diesen Fällen jedoch nach der Regelung des § 6 Abs. 3 (absolute Versicherungsfreiheit) ausgeschlossen sein.
Rz. 222
Mit dem Art. 1 Nr. 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) war mit Wirkung zum 1.1.1993 das Erfordernis der Vorversicherungszeit in Abs. 1 Nr. 11 erneut dahin gehend verschärft worden, als nur noch Zeiten einer Pflichtversicherung und einer daraus abgeleiteten Familienversicherung für die Vorversicherungszeit zu berücksichtigen waren.
Entsprechend wurde auch die Übergangsregelung des Art. 56 Abs. 1 Gesundheitsreformgesetz (GRG, ab 1.1.1993 bis 31.12.1993) dahin gehend geändert, dass für die Halbbelegung nur noch Pflichtversicherungszeiten oder eine daraus abgeleitete Familienversicherung für die Halbbelegung berücksichtigungsfähig waren. Bei einer freiwilligen Versicherung wurden Zeiten des Bezuges von Anpassungsgeld für entlassene Bergleute und (rückwirkend durch das 3. SGB V-ÄndG v. 10.5.1995, BGBl. I S. 678) des Bezuges von Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse einer Pflichtversicherungszeit gleichgestellt; ebenso über § 309 Abs. 5 Satz 2 ab 1.1.1991 Versicherungszeiten im Beitrittsgebiet.
Zugleich wurde mit Art. 33 § 14 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) eine weitere Übergangsregelung geschaffen, wonach die am 31.12.1992 pflichtversicherten Rentner und Rentenantragsteller als solche versicherungspflichtig blieben, auch wenn sie die Voraussetzungen nach dem ab 1.1.1993 geltenden Recht nicht erfüllten, solange diese Rente bezogen bzw. das Rentenantragsverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen war.
Rz. 223
Das BSG hatte diese Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen als verfassungsgemäß angesehen, soweit die freiwillige Versicherung auf einer selbständigen Tätigkeit bzw. einer Weiterversicherung als Beamter beruhte (vgl. BSG, Urteil v. 26.6.1996, 12 RK 8/95; BSG, Urteil v. 26.6.1996, 12 RK 12/94). Dagegen hatte es die Regelung für solche Personen und deren Ehegatten nach Abs. 2 als gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßend angesehen, als auch die wegen der Höhe des Arbeitsentgeltes versicherungsfreien Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1) und deshalb freiwillig Versicherten diese Vorversicherungszeit nicht erfüllen konnten und diese Frage dem BVerfG vorgelegt (BSG, Vorlagebeschlüsse v. 26.6.1996, 12 RK 41/94).
Rz. 224
Das BVerfG ist in seiner Entscheidung zu diesen Vorlagebeschlüssen (BVerfG, Beschluss v. 15.3.2000, 1 BvL 16/96 u. a.) der Auffassung des BSG über die Ungleichbehandlung gefolgt und hat unter Betrachtung allein der ungleichen Beitragsbelastung als Rechtsfolge entschieden, dass die Regelung des Abs. 1 Nr. 11 in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) ab 1.1.1993 mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sei, "soweit Personen, die nach dem 31.12.1993 einen Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gestellt haben, nur dann in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert sind...