2.1 Versicherungsfreiheit
Rz. 7
Versicherungsfreiheit bedeutet, dass trotz der grundsätzlich vorliegenden Voraussetzungen für Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 kraft Gesetzes doch keine Krankenversicherungspflicht und damit keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht. Es bedarf dafür weder eines Antrags noch einer ausdrücklichen konstitutiven Entscheidung einer Krankenkasse, denn die Versicherungsfreiheit tritt bei Erfüllen der Tatbestandsvoraussetzungen kraft Gesetzes ein und geht dabei einem etwaigen ebenfalls erfüllten Versicherungspflichttatbestand vor. Wer sich in einem Rechtsstreit auf das Vorliegen von Versicherungsfreiheit beruft, hat dafür allerdings die Feststellungslast (Beweislast) zu tragen, da es sich um eine Ausnahme vom Grundsatz der Versicherungspflicht handelt. Dies gilt insbesondere auch für Arbeitgeber, die bei der Fehlbeurteilung der Versicherungsfreiheit die Beiträge für die in Wirklichkeit versicherungspflichtig Beschäftigten zu zahlen (§ 28e Abs. 1 SGB IV) und wegen § 28g SGB IV dann zumeist auch – allein – zu tragen haben (vgl. BSG, Urteil v. 14.7.2004, B 12 KR 1/04 R zur Fehlbeurteilung der Geringfügigkeit).
Rz. 7a
Die Regelungen der (Kranken)Versicherungsfreiheit haben unmittelbare Wirkung auf die Pflegeversicherungspflicht nach § 20 SGB XI, denn diese ist von der Krankenversicherungspflicht abhängig. Die Krankenversicherungsfreiheit führt daher auch zur Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung. Sofern jedoch eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, die durch § 6 nicht ausgeschlossen ist, führt diese zur Pflegeversicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 SGB XI.
Rz. 8
Die Versicherungsfreiheit ist von dem Nichtvorliegen eines Tatbestandes der Krankenversicherungspflicht und damit der Nichtversicherung – i. S. v. nicht in die Versicherungspflicht einbezogen – zu unterscheiden. So regelt z. B. § 5 Abs. 5 nur den Ausschluss von der Krankenversicherungspflicht bei hauptberuflich selbständiger Erwerbstätigkeit, begründet jedoch keine Versicherungsfreiheit. Der § 5 Abs. 1 KSVG spricht zwar allgemein von Versicherungsfreiheit, meint jedoch letztlich damit die Rangfolge der Versicherungspflichten. Insbesondere auch das Fehlen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 Abs. 1 SGB IV (z. B. bei mitarbeitenden Gesellschaftern oder Gesellschafter-Geschäftsführern, mitarbeitenden Familienangehörigen) begründet keine Versicherungsfreiheit, sondern lediglich die nicht vorliegende Versicherungspflicht als Beschäftigter. Diese Differenzierung ist für die Anwendung des Abs. 3 von entscheidender Bedeutung, da sich nur die Versicherungsfreiheit, nicht jedoch die Nichtversicherung auf andere Tatbestände der Versicherungspflicht erstreckt.
2.2 Versicherungsfreier Personenkreis
2.2.1 Versicherungsfreiheit wegen der Höhe des Arbeitsentgelts (Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4)
Rz. 9
Die Krankenversicherungsfreiheit wegen der Höhe des Jahresarbeitsentgelts (JAEG) gehört seit den Anfängen der Krankenversicherung zu den Ausschlusstatbeständen für die Krankenversicherungspflicht als Beschäftigter. Bis zum 31.12.1988 galt diese Versicherungsfreiheit jedoch nur für Angestellte. Erst das Gesundheitsreformgesetz bezog mit Wirkung zum 1.1.1989 auch Arbeiter in diese Versicherungsfreiheit ein. Grund für diese Regelungen war, dass man Beschäftigte mit einem höheren Arbeitsentgelt nicht als schutzwürdig ansah und sie nicht zwangsweise in die gesetzliche Krankenversicherung als Pflichtversicherte einbeziehen wollte. Dies ließ den betroffenen Personen die Wahl, sich freiwillig gesetzlich, privat oder aber (in der Vergangenheit) auch gar nicht gegen Krankheit zu versichern. Die Nichtversicherung dieser Personen in der gesetzlichen Krankenversicherung hatte und hat allerdings zur Folge, dass deren Höchstbeiträge bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung entfielen und diese Personen somit nicht am Solidarausgleich teilnahmen. Bereits mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz v. 23.12.2002 (BGBl. I S. 4637) wurde durch die Erhöhung der JAEG für die Versicherungsfreiheit (Abs. 6) und die Trennung der JAEG von der Beitragsbemessungsgrenze (Abs. 7) der Personenkreis der pflichtversicherten höherverdienenden Beschäftigten verfassungskonform erheblich ausgeweitet (vgl. BVerfG, Beschluss v. 13.9.2005, 2 BvF 2/03). Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) war der Personenkreis der mit Höchstbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Beschäftigten weiter ausgedehnt worden; denn für diesen Personenkreis trat Versicherungsfreiheit in der Zeit vom 1.4.2007 bis 31.12.2010 überhaupt erst ein, wenn ihr regelmäßiges Arbeitsentgelt die JAEG 3 Jahre lang (tatsächlich) überschritten hatte und auch im Folgejahr überschreiten würde. Diese Regelung des GKV-WSG, die den Wechsel in die private Krankenversicherung erschwerte, war verfassungsgemäß (BVerfG, Urteil v. 10.6.2009, 1 BvR 706/08 u. a.). Nachdem diese Regelungen ab dem 31.12.2010 wieder aufgehoben worden waren, steht die Frage der Schutzbedürftigkeit der höherverdienenden Beschäftigten wieder im Vordergrund. Allerdings s...