Rz. 61
Die Regelung über die Erstreckung der Versicherungsfreiheit nach § 6 oder anderen Rechtsvorschriften oder der Befreiung nach § 8 auch auf andere Tatbestände von Versicherungspflicht (absolute Versicherungsfreiheit) ist eine durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) ab 1.1.1989 eingeführte Neuerung. Grund der Regelung war und ist, dass Personen durch die Erfüllung eines anderen Versicherungspflichttatbestandes nicht in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden sollen, die an sich einen anderweitigen Krankenversicherungsschutz haben (Systemabgrenzung) und/oder als nicht schutzbedürftig in der gesetzlichen Krankenversicherung angesehen werden.
Rz. 62
Ausgenommen von der Regelung des Abs. 3 sind die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 versicherungspflichtigen arbeitslosen Leistungsbezieher nach dem SGB III, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtigen Bezieher von Bürgergeld (vormals Arbeitslosengeld II) nach dem SGB II, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 3, 4 versicherungspflichtigen Selbständigen, die geringfügig Beschäftigten nach § 7, die Hinterbliebenen i. S. d. Abs. 2 und die versicherungsfreien Werkstudenten (Satz 2). Nicht ausdrücklich erwähnt wird die sog. Formalversicherung als Rentenantragsteller nach § 189. Da die durch § 189 fingierte Pflichtmitgliedschaft in den Fällen der Versicherungsfreiheit nach Abs. 1 ohnehin bereits nach § 189 Satz 2 ausgeschlossen ist, erschien offenbar eine ausdrückliche Erwähnung als entbehrlich.
Rz. 62a
Nicht ausgenommen von der Regelung über die Versicherungsfreiheit waren in der Zeit vom 1.4.2007 bis 31.12.2008 auch die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Versicherten, also Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall. Dies konnte dazu führen, dass Beamte, die sich nicht beihilfekonform privat versichert hatten und die deswegen ausdrücklich in die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 einbezogen worden waren (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 94), der Versicherungspflicht unterlagen (vgl. Komm. zu § 5). Erst mit dem GKV-OrgWG ist die absolute Versicherungsfreiheit auch auf die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 erstreckt worden, sodass diese Personen ab dem 1.1.2009 versicherungsfrei wurden und die Pflicht zum Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages nach § 193 Abs. 3 VVG bestand, wenn nicht eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung durch Beitritt begründet wurde.
Rz. 63
Der Grund für die fehlende Einbeziehung der arbeitslosen Leistungsbezieher nach dem SGB II oder III in die Versicherungsfreiheit dürfte darin liegen, dass der Gesetzgeber nicht davon ausging, dass die Tatbestände der Versicherungsfreiheit nach Abs. 1 mit einem möglichen Leistungsanspruch zusammenfallen könnten. Dies ist jedoch in einer beachtenswerten Zahl von Tatbeständen nach dem SGB III nicht der Fall. Zunächst einmal ist der Erwerb von Anwartschaftszeiten in der Arbeitslosenversicherung § 142 SGB III (bis 31.3.2012 § 123 SGB III) durch neben den in Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 genannten Tätigkeiten noch ausgeübte Beschäftigungen möglich, da § 27 SGB III nur die versicherungsfreie Beschäftigung selbst erfasst. Bei Beendigung dieser Nebentätigkeit kann dann der Anspruch auf Leistungen auch geltend gemacht werden. Dem ständen Gründe der Arbeitssuche (Verfügbarkeit) nicht entgegen, wenn die versicherungsfreie Tätigkeit nach Abs. 1 nur eine Teilzeitbeschäftigung war oder wegen Dienstunfähigkeit oder Frühpensionierung mit Ruhegehalt die Verfügbarkeit i. S. d. § 138 SGB III (bis 31.3.2012 § 119 Abs. 1 SGB III) besteht. Gerade in den Fällen des Bezuges von Ruhegehalt wäre eine arbeitsförderungsrechtlich versicherungspflichtige Beschäftigung und der anschließende Bezug von Leistungen nach dem SGB III vor der Altersgrenze des 65. Lebensjahres möglich. Die Nebenbeschäftigung wäre wegen Abs. 3 in der Krankenversicherung zwar versicherungsfrei, der anschließende Bezug würde jedoch Krankenversicherungspflicht und Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 neben dem Bezug des Ruhegehaltes auslösen.
Rz. 64
Ebenso bewirkt die Nichteinbeziehung der Arbeitslosen, dass bei einer für die Beschäftigung ausgesprochenen Befreiung (§ 8) von der Krankenversicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit wegen der Höhe des Arbeitsentgelts der anschließende Bezug von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit nach dem SGB III wieder zur Krankenversicherungspflicht führt (vgl. BSG, Urteil v. 25.5.2011, B 12 KR 9/09 R). Dies erscheint nicht plausibel und nicht durchdacht.
Rz. 65
Soweit die Krankenversicherungspflichten als selbständiger Künstler und Landwirt von Abs. 3 nicht erfasst werden, sind in den die Krankenversicherungspflicht dieser Personen regelnden Gesetzen Regelungen für die Versicherungsfreiheit enthalten bzw. eingeführt worden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 KSVG ist auch als Künstler versicherungsfrei, wer nach dem SGB V versicherungsfrei oder befreit ist. Durch den mit Wirkung zum 1.1.1995 eingefügten § 3a Nr. 1 KVLG 1989 ist versicherungsfrei in der Krankenversicherung der Landwir...