2.1.1 Entgelt- und Zeitgeringfügigkeit (§ 8 SGB IV)
Rz. 5
Die Vorschrift normiert als Ausnahme zu § 5 Abs. 1 Nr. 1, dass abweichend von der regelmäßigen Krankenversicherungspflicht für gegen Entgelt Beschäftigte versicherungsfrei ist, wer eine (nur) geringfügige Beschäftigung ausübt. Für die Geringfügigkeit wird dabei auf die für alle Zweige der Sozialversicherung geltenden Bestimmungen der §§ 8, 8a SGB IV verwiesen (vgl. Komm. dort). Die mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erfolgte Ergänzung um die Bezugnahme auch auf § 8a SGB IV (geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten) sollte ursprünglich der Versicherungsfreiheit dieser Personen mit einer gesonderten Entgeltgeringfügigkeitsgrenze Rechnung tragen (BT-Drs. 15/26 S. 23, 26). Da § 8a SGB IV in der Gesetz gewordenen Fassung jedoch lediglich auf § 8 SGB IV und die dortigen Geringfügigkeitsgrenzen zurückverweist, hat dessen Erwähnung in Abs. 1 Satz 1 für die Krankenversicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit keine eigenständige Bedeutung; die Differenzierung ist lediglich für die Höhe des Pauschalbeitrags nach § 249b von Bedeutung. Eine Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungen bei einem Arbeitgeber hat daher auch bei Beschäftigungen nach § 8 SGB IV mit solchen nach § 8a SGB IV zu erfolgen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.6.2013, L 7 R 2757/11).
Rz. 6
Durch den Verweis auf § 8 SGB IV haben dessen Änderungen auch unmittelbare Auswirkungen auf die Versicherungspflicht oder -freiheit in der Krankenversicherung. Die durch verschiedene und auch wechselnde arbeitsmarkt- oder gesellschaftspolitische Ziele bedingten, nicht immer nachvollziehbaren Rechtsänderungen der Voraussetzungen der Geringfügigkeit (vgl. dazu Knospe, SGb 2007, 8; Knispel, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB V, § 7 Rz. 26, Stand: 21.11.2022; Wiegand, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, 3. Aufl., § 7 Rz. 2) liegen grundsätzlich im Bereich der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit und sind als solche nicht europarechtswidrig (EuGH, Urteil v. 14.12.1995, C-444/93).
Rz. 7
Mit dem Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse v. 24.3.1999 (BGBl. I S. 388) waren die Regelungen der Geringfügigkeit ab dem 1.4.1999 gravierend geändert worden. Es wurde nicht nur die zuvor dynamisch ausgestaltete Entgeltgeringfügigkeitsgrenze (ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße) durch einen festen Betrag ersetzt, sondern es entfiel auch die zusätzliche relative Entgeltgrenze, wonach "bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens" als Geringfügigkeitsgrenze galt. Zusätzlich war neben der Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen auch generell eine Zusammenrechnung von geringfügiger mit nicht geringfügiger Beschäftigung in § 8 Abs. 2 SGB IV vorgesehen, worauf als Ausnahme davon der mit Wirkung ab 1.4.1999 angefügte Satz 2 (jetzt Abs. 1 Satz 2) Bezug nahm.
Rz. 8
Das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt änderte mit Wirkung ab 1.4.2003 die Regelungen zur Geringfügigkeit erneut. Danach lag nunmehr eine geringfügige Beschäftigung vor
- bei einer regelmäßigen Tätigkeit mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt bis zu 400,00 EUR monatlich (Entgeltgeringfügigkeit, geringfügig entlohnte Beschäftigung) oder
- bei einer auf 50 Arbeitstage oder 2 Monate begrenzten Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres (kurzfristige Beschäftigung), es sei denn, diese Tätigkeiten werden berufsmäßig ausgeübt und das Entgelt lag über 400,00 EUR.
Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit wurde dadurch für die Beurteilung der Geringfügigkeit unerheblich und führte, auch wenn sie 15 Wochenstunden überschritt, nicht mehr zur Versicherungspflicht (zur Übergangsregelung vgl. Abs. 2).
Rz. 8a
Mit der neuerlichen Änderung durch das Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung v. 5.12.2012 (BGBl. I S. 2474) wurde mit Wirkung ab 1.1.2013 die Entgeltgeringfügigkeitsgrenze auf 450,00 EUR heraufgesetzt, wodurch die allerdings befristete Übergangsregelung des Abs. 3 bedingt war, die nunmehr auch ausdrücklich aufgehoben wurde. Zur Begründung der Heraufsetzung der Entgeltgeringfügigkeitsgrenze war in der BT-Drs. 17/10773 S. 1 die Anpassung der Geringfügigkeitsgrenze an die allgemeine Lohnentwicklung angegeben. In der Folgezeit erfolgte jedoch keine Anpassung der Entgeltgeringfügigkeitsgrenze an die Lohnentwicklung, auch nicht gemessen an der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6.
Rz. 9
Eine regelmäßige Tätigkeit liegt vor, wenn diese auf Dauer angelegt ist bzw. sich ständig wiederholt (z. B. Ultimokräfte), sodass die Entgeltgeringfügigkeit der Beschäftigung sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV beurteilt, auch wenn die Zeitgrenze von 50 Arbeitstagen (seit 1.1.2015 von 70 Arbeitstage) im Kalenderjahr nicht überschritten wird (BSG, Urteil v. 23.5.1995, 12 RK 60/93). Eine geringfügige kurzfristige Beschäftigung liegt nicht vor, wenn es sich um die berufsmäßige Ausübung von kurzfristigen Beschäftigungen handelt. Damit werden in der Krankenversicherung insbesondere die unständig Beschäftigten ...