Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 15
Aus medizinischer Sicht setzt die Wiedereingliederung drei Schritte voraus. Die Arbeitsunfähigkeit muss festgestellt sein, die Feststellung, dass der Versicherte seine bisherige Tätigkeit teilweise durch die stufenweise Wiedereingliederung verrichten kann und die positive Prognose einer besseren Wiedereingliederung in das Erwerbsleben durch ein stufenweises Vorgehen (Sichert, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 74 Rz. 6). Streit kann darüber entstehen, ob der Gesundheitszustand nicht bereits eine Rückkehr in das Arbeitsverhältnis in vollem Umfang zulässt. Dieser Streit kann dann nur mit einer Klage auf Weiterzahlung des Krankengeldes ausgeräumt werden. Der behandelnde Arzt bestimmt in seinen Empfehlungen darüber, welche arbeitsbedingten Belastungen vermieden werden sollen. Dazu kann auch gehören, die tägliche Arbeitszeit entsprechend dem noch vorhandenen Belastungsumfang zu verkürzen. Der Zeitbedarf für den Arbeitsweg ist dabei mitzuberücksichtigen. Auf einem auf der Bundesebene vereinbarten Vordruck gibt der Vertragsarzt die tägliche Arbeitszeit und diejenigen Tätigkeiten an, die der Versicherte während der Phase der stufenweisen Wiedereingliederung ausüben kann bzw. denen er nicht ausgesetzt werden darf. Auf demselben Vordruck erklärt der Versicherte sein Einverständnis mit seiner stufenweisen Wiedereingliederung und bescheinigt ggf. der Arbeitgeber, dass die Beschäftigung auf der Basis der Empfehlungen des Arztes nicht möglich ist. Weil das Einverständnis des Versicherten und/oder des Arbeitgebers unabdingbare Voraussetzung der stufenweisen Wiedereingliederung ist, kann diese nicht durchgeführt werden, wenn eine Einverständniserklärung nicht abgegeben wird. Hier dürfen seitens der Krankenkasse, die möglicherweise die Krankengeldzahlung reduziert sehen möchte, auch kein Druck auf oder Sanktionen gegen den Versicherten/Arbeitgeber ausgeübt werden.
Rz. 16
Während der Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung soll der Versicherte regelmäßig auf die gesundheitlichen Auswirkungen hin untersucht werden. Stellt sich heraus, dass dem Versicherten gesundheitliche Nachteile erwachsen, sind die arbeitsbedingten Belastungen ggf. weiter zu reduzieren bzw. muss die stufenweise Wiedereingliederung u. U. sogar abgebrochen werden. Ebenso kann sich aufgrund der ärztlichen Untersuchung ergeben, dass die arbeitsbedingte Belastung weiter gesteigert werden kann, sodass die stufenweise Wiedereingliederung entsprechend anzupassen wäre.
Rz. 17
Die stufenweise Wiedereingliederung ist nicht möglich, wenn der Arbeitgeber erklärt, den Versicherten unter den vom behandelnden Arzt bestimmten Belastungseinschränkungen nicht beschäftigen zu können. Auf die stufenweise Wiedereingliederung hat der Versicherte also keinen einklagbaren Rechtsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber.