1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer hat in der Regel Antennenkabel, die über Putz durch seinen Keller verlaufen und der TV-Versorgung eines anderen Wohnungseigentümers dienen, zu dulden.
2 Normenkette
§§ 14, 19, WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K1 und K2, Wohnungseigentümerin B1 sowie deren Ehemann Wohnungseigentümer B2 bilden die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Z. Die Wohnungseigentümer streiten über die Rechtmäßigkeit zweier Antennenkabel, die im Sondereigentum von B1 und B2 über Putz verlegt sind und den TV-Empfang der K1 und des K2 und deren Tochter bedienen. Ein Kabel ist in einem Kellerraum installiert, der im Sondereigentum von B1 steht. Ein weiteres Kabel führt durch einen Kellerraum, der im Sondereigentum von B1 und B2 steht. B1 verlangt von K1 und K2 im Jahr 2022, die Antennenkabel zu entfernen. Deshalb und weil Ende April 2021 die Kabelverbindung unterbrochen war, klagen K1 und K2 auf die Feststellung, dass B1 keinen Anspruch auf Entfernung eines Antennenkabels hat.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! B1 sei verpflichtet, die Kabel zu dulden. Die Duldungspflicht folge aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer gem. § 242 BGB in Verbindung mit den Rechtsgedanken aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG und Art. 5 GG. Die Antennenkabel dienten einem von der Rechtsordnung geschützten Zweck, indem sie die Grundversorgung für den Fernsehempfang von K1 und K2 sicherstellten. Der besondere Schutz störungsfreien TV-Empfangs folge aus dem in Art. 5 GG normierten Grundrecht auf Informationsfreiheit, wozu auch das aktive Beschaffen von Informationen gehöre. Dieses Grundrecht gelte zwar nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat. Im Verhältnis von Privatpersonen zueinander komme Art. 5 GG aber wertende Bedeutung zu mit der Folge, dass der Schutzzweck auch im Privatverhältnis zu beachten sei und dementsprechend auch im WEG-Recht Eingang gefunden habe. So gehörten bauliche Maßnahmen, die eine Möglichkeit zum Empfang von Fernsehprogrammen schafften, zu den privilegierten Vorhaben des § 20 Abs. 2 WEG, auf die jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch habe und die auf der anderen Seite Duldungspflichten begründeten, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WEG. Die Duldungspflicht betreffe im Einzelfall auch Eingriffe in das Sondereigentum. Die Antennenkabel dienten außerdem einem bevorzugten Zweck und stellten keinen Nachteil dar, den B1 nicht hinnehmen müsse. Bei der Kabelführung handele es sich nämlich allenfalls um eine bagatellartige Beeinträchtigung, die den Rahmen der Duldungspflicht nicht übersteige. Das folge aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Das Gericht habe die örtlichen Gegebenheiten in Augenschein genommen und festgestellt, dass die Kabel knapp oberhalb der Kellerraumdecken verliefen. Zudem befänden sich in den Räumen weitere im oberen Bereich über Putz verlegte Strom- und Wasserleitungen, sodass die Antennenkabel insgesamt nicht imponierten.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall mögen sich die Wohnungseigentümer offensichtlich nicht. Der eine "piesackt" den anderen und meint, in seinem Sondereigentum ein Kabel nicht dulden zu müssen.
Einrichtungen im Sondereigentum
Es ist nicht selten, dass sich im Sondereigentum eines Wohnungseigentümers Einrichtungen und/oder Anlagen finden, die allen Wohnungseigentümern oder einem anderen Wohnungseigentümer dienen. Neben Kabeln finden sich beispielsweise Wasserrohre. Diese Einrichtungen und/oder Anlagen sind zu dulden, wenn sie bauseitig sind. Insoweit ist § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG entsprechend anwendbar.
Was ist für Verwaltungen besonders wichtig?
Das Antennenkabel könnte im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Das ist aber nicht sicher. Die Verwaltung kann sich anweisen lassen, ob es das Antennenkabel als gemeinschaftliches Eigentum oder als Sondereigentum behandeln soll.
6 Entscheidung
AG Bottrop, Urteil v. 13.10.2022, 20 C 22/22