Leitsatz

Dem Ersteher eines Wohnungseigentumsrechts steht das Sonderkündigungsrecht des § 57a ZVG gegenüber dem Mieter auch dann zu, wenn das versteigerte Wohnungseigentum Teil eines aus mehreren Wohnungseinheiten bestehenden und insgesamt für einen einheitlichen Zweck (hier: betreutes Wohnen) vermieteten Objekts ist

 

Normenkette

§ 57a ZVG

 

Das Problem

  1. B mietet von T eine Wohnungseigentumsanlage an (es gibt eine Teilungserklärung, Alleineigentümer ist aber noch T). Nach der Gemeinschaftsordnung darf das Sondereigentum nur im Rahmen eines "betreuten Wohnens" angemietet werden. B ist zur Unter- oder Weitervermietung berechtigt. T ist hingegen gestattet, seine sich aus dem Mietvertrag mit B ergebenden Rechte und Pflichten zu übertragen.
  2. In der Folgezeit erwirbt E von T einen 77/1.000-Miteigentumsanteil am Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an einer im 2. Obergeschoss liegenden Wohnung (in dem Moment, in dem E im Wohnungsgrundbuch eingetragen wird, entsteht rechtlich gesehen "Wohnungseigentum" bzw. eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern). E vermietet sein Sondereigentum an die Eheleute F. Nach dem Mietvertrag ist B "Zwischenmieter", der die Wohnung von E zum Zweck der Weitervermietung angemietet hat.
  3. 2011 erhält ein K den Zuschlag über E's Miteigentumsanteil und kündigt den Mietvertrag mit B. K beruft sich in der Folgezeit vor allem auf § 57a ZVG. Da B sich weigert, das Sondereigentum herauszugeben, erhebt K Räumungs- und Herausgabeklage. Das Amtsgericht Freiberg gibt der Klage statt, das Landgericht Chemnitz weist B's Berufung zurück. Hiergegen richtet sich B's Revision.
 

§ 57a ZVG (Kündigungsrecht des Erstehers)

Der Ersteher ist berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist.

 

Entscheidung

  1. Die Revision hat keinen Erfolg. K's Kündigung ist auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wirksam. § 57a ZVG ist nämlich auch auf ein ersteigertes Wohnungseigentum anwendbar.
  2. Wohnungseigentum ist selbstständig beleih- und veräußerbar. Das Recht der gesonderten Beleihbarkeit würde, wenn § 57a ZVG auf den Fall einer sich auf mehrere Wohneinheiten beziehenden Gesamtvermietung keine Anwendung fände, in nicht gerechtfertigter Weise beeinträchtigt, weil dies den Beleihungswert regelmäßig spürbar reduzieren würde. Die besondere Nutzung des Gesamtmietobjekts für "betreutes Wohnen" steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Diese Frage stellt sich erst, wenn K die Wohnung entgegen dem vereinbarten Gebrauch gebrauchen will.
 

Kommentar

Anmerkung

Wohnungseigentumsrechtlich ist an der Entscheidung vor allem das "Bekenntnis" wichtig, dass Wohnungseigentum echtes Eigentum und damit selbstständig beleih- und veräußerbar ist. Ferner ist die wenigstens mittelbare Klärung sehr wichtig, dass "betreutes Wohnen" nach § 15 Abs. 1 WEG als bindender Gebrauch unter den Wohnungseigentümern nach § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG vereinbar ist. Es ist also zulässig zu vereinbaren, dass ein Sondereigentum nur an solche Mieter vermietet werden darf, die in der Einheit wegen ihren Beeinträchtigungen zu betreuen sind.

Was ist für Verwalter wichtig?

  1. Durch den Zuschlag des Rechtspflegers bei der Zwangsversteigerung eines Wohnungseigentumsrechts wird der Erwerber unmittelbar durch einen hoheitlichen Akt außerhalb des Wohnungsgrundbuchs – das durch den Zuschlag unrichtig wird – i.S.d. Gesetzes "Wohnungseigentümer". Nur der Erwerber schuldet nach dem Zuschlag das danach fällig werdende, auf die Einheit entfallende Hausgeld.
  2. Gebraucht der Erwerber sein Wohnungseigentum entgegen den Vereinbarungen der Wohnungseigentümer, muss der Verwalter von Gesetzes wegen nichts unternehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der erlaubte Gebrauch Teil der Hausordnung ist. Dann muss der Verwalter auf den – gegebenenfalls teilweisen – unzulässigen Gebrauch hinweisen. Etwas anderes gilt ferner, wenn die Wohnungseigentümer beschlossen haben, dass der Verwalter oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den unzulässigen Gebrauch vorgehen soll und der Verwalter ermächtigt ist, Schritte gegen den unzulässigen Gebrauch in die Wege zu leiten.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 30.10.2013, XII ZR 113/12

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