Leitsatz
Das Sonderkündigungsrecht nach § 573a Abs. 1 BGB wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen weitere Räume vorhanden sind, die sich für eine Nutzung als Wohnung eignen und früher auch als Wohnung genutzt wurden, wenn diese weiteren Räume schon bei Abschluss des Mietvertrags, für dessen Kündigung der Vermieter das Sonderkündigungsrecht in Anspruch nimmt, als gewerbliche Räume genutzt worden sind.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 573a
Kommentar
In dem Gebäude befindet sich im Erdgeschoss eine Wäscherei, die von den Gebäudeeigentümern betrieben wird. Im ersten Obergeschoss liegt die Wohnung der Mieterin. Die Wohnung besteht aus 5 Zimmern. Der Zugang zu dieser Wohnung erfolgt über eine separate Treppe, die an der Außenfassade des Gebäudes angebracht ist. Die Eltern der Mieterin halten sich über einen Großteil des Jahres ebenfalls in der Wohnung auf, wo sie das Kind der berufstätigen Mieterin betreuen. Den Eltern steht in der Wohnung ein Schlafzimmer und ein Badezimmer zur alleinigen Verfügung. Eine zweite Wohnung im Obergeschoss sowie die Dachgeschosswohnung wird von den Vermietern genutzt. Im ersten Obergeschoss befand sich in früherer Zeit eine weitere Wohnung, die der Mutter der Vermieterin überlassen war. Diese Wohnung wurde vor Abschluss des Mietvertrags über die 5-Zimmer-Wohnung in Sozialräume für die Mitarbeiter der Wäscherei und in ein Büro umgewandelt. Weiterhin befinden sich in dem Gebäude zwei Zimmer, die von Auszubildenden der Wäscherei bewohnt werden.
Die Vermieter haben die 5-Zimmer-Wohnung gem. § 573a BGB gekündigt und die Mieterin und deren Eltern auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Revision der Mieterin hatte keinen Erfolg: Nach § 573a Abs. 1 BGB kann ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen auch dann gekündigt werden, wenn keine Kündigungsgründe vorliegen.
Von den Instanzgerichten wurde hierzu die Ansicht vertreten, dass das Sonderkündigungsrecht des § 573a BGB nur gilt, wenn die Parteien aufgrund eines gemeinsamen Hauseingangs, eines gemeinsamen Treppenhauses oder sonstiger Gemeinschaftsflächen innerhalb des Gebäudes zusammentreffen können (so z. B. AG Dortmund, WuM 1990, 355). Diese Ansicht beruht auf der Erwägung, dass das Zusammenleben in beengten Verhältnissen ein Mindestmaß an Harmonie voraussetzt; fehlt es hieran, soll der Vermieter die Möglichkeit haben, sich vom Mieter zu trennen. Der BGH führt hierzu aus, dass dieses Gesetzgebungsmotiv im Wortlaut des § 573a BGB keinen Niederschlag gefunden hat. Deshalb ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn es an einem gemeinsamen Hauseingang und Treppenhaus fehlt. Anders ist es bei Reihen- oder Doppelhäusern, weil diese Immobilien als selbstständige Häuser angesehen werden.
Ein "Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen" liegt auch dann vor, wenn sich in dem Gebäude außer den vom Vermieter und vom Mieter bewohnten Räumen noch Gewerberäume oder einzelne vermietete Zimmer befinden. Liegen die vom Vermieter bewohnten Räume in verschiedenen Stockwerken, so sind sie in ihrer Gesamtheit als eine Wohnung anzusehen, unabhängig davon, ob die Räume miteinander verbunden sind. Maßgeblich für die Beurteilung des Tatbestandsmerkmals "nicht mehr als zwei Wohnungen" ist der Zeitpunkt der Begründung des Mietvertrags. Deshalb spielt es keine Rolle, ob in dem Gebäude vor diesem Zeitpunkt drei Wohnungen vorhanden waren.
In einem weiteren Teil der Entscheidung befasst sich der BGH mit der Frage, ob für die Erhebung einer Räumungsklage gegen die Eltern der Mieterin ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Nach der Rechtsprechung des BGH hängt dies davon ab, ob den Eltern ein selbstständiges Besitzrecht an der Wohnung oder einem Teil der Wohnung zusteht (BGH, Beschluss v. 19.3.2008, I ZB 56/07). Die Eltern hatten hierzu vortragen lassen, sie hätten keinen selbstständigen Gebrauch an den Wohnräumen und würden ausziehen, wenn ihre Tochter zur Räumung verurteilt wird. Der BGH führt aus, dass es auf diese Erklärungen nicht ankommt, weil der Vermieter keine Gewissheit hat, dass sich die Eltern entsprechend der Erklärung verhalten. Maßgebend war vorliegend, dass die Mieterin ihren Eltern ein Schlaf- und ein Badezimmer zur alleinigen Nutzung überlassen hat. Dies rechtfertigt die Annahme eines selbstständigen Besitzes.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 25.06.2008, VIII ZR 307/07BGH, Urteil v. 25.6.2008, VIII ZR 307/07, NZM 2008, 682 m. Anm. Horst = MietRB 2008, 321