1 Leitsatz
Ein Sondernutzungsberechtigter kann von einem anderen Wohnungseigentümer trotz § 9a Abs. 2 WEG die Herausgabe der dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Fläche verlangen.
2 Normenkette
§ 9a Abs. 2 WEG; § 985 BGB
3 Das Problem
K, seit dem Jahr 2020 Wohnungseigentümer, verlangt von B, der seit dem Jahr 2015 Wohnungseigentümer ist, die geräumte Herausgabe einer K zugewiesenen, aber von B genutzten Sondernutzungsfläche. B meint, der Herausgabeanspruch sei verjährt, jedenfalls verwirkt. Die Sondernutzungsrechte seien seit Aufteilung in Wohnungseigentum faktisch anders genutzt worden.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! K habe gegen B einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. Dieser Anspruch stehe auch K als Sondernutzungsberechtigtem zu, wenn er die Herausgabe der betreffenden Fläche verlange.
Der Herausgabeanspruch sei auch nicht verjährt. Der Herausgabeanspruch aus (eingetragenem Mit-)Eigentum gem. § 985 BGB unterliege nicht der Verjährung, § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch eine Verwirkung liege nicht vor: Der Herausgabeanspruch könne nur dann verwirkt sein, wenn die Herausgabe für den Besitzer schlechthin unerträglich sei. Hierfür reichten die seitens B vorgetragenen Umstände nicht aus. Ob die Fläche seit dem Jahr 1996 oder jedenfalls seit 2015 als Bestandteil des Gartens des B genutzt worden sei, sei bedeutungslos. Dass B möglicherweise nicht mehr aus seiner Terrassentür auf eine ihm zustehende Fläche austreten könne, sei zwar misslich, aber auch änderbar; die Tür könne neben der jetzigen Tür neu eingerichtet werden, sodass der Austritt möglich werde. Die Kosten dafür seien trotz eines gewissen Aufwandes finanzierbar, rechtfertigten jedenfalls nicht den dauerhaften Entzug der K gehörenden Gartenfläche.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es im Kern vor allem um die vom AG allerdings nicht gestellte Frage, ob der Wohnungseigentümer, dessen Eigentum ein Sondernutzungsrecht zugewiesen ist, trotz § 9a Abs. 2 WEG die Herausgabe der dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Fläche verlangen kann. Das Problem besteht darin, dass die Fläche gemeinschaftliches Eigentum ist und daher das Recht, diese Fläche herauszuverlangen, eigentlich ein Recht ist, das die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 9a Abs. 2 WEG verfolgen muss. Wie bei der Störungsunterlassung muss man § 9a Abs. 2 WEG im Ergebnis aber teleologisch reduzieren oder die unausgesprochene teilweise Abbedingung von § 9a Abs. 2 WEG als Inhalt der Vereinbarung sehen, mit der das Sondernutzungsrecht bestimmt wurde.
Verjährung/Verwirkung
Wir vom AG ausgeführt, kann der Anspruch aus Herausgabe nicht verjähren. Eine Verwirkung ist zwar vorstellbar, dürfte aber wie bei Störungsunterlassungsansprüchen eigentlich nie anzunehmen sein.
6 Entscheidung
AG Hamburg-Barmbek, Urteil v. 27.5.2022, 880 C 2/21