1 Leitsatz
Macht der teilende Eigentümer als Wohnungseigentümer von der in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Befugnis zur Zuweisung eines Sondernutzungsrechts Gebrauch, hat das Grundbuchamt durch Auslegung der Gemeinschaftsordnung zu ermitteln, ob die Bewilligungsberechtigung des teilenden Eigentümers trotz zwischenzeitlichen Ausscheidens aus der Eigentümergemeinschaft fortwirkt, bis das Sondernutzungsrecht zu Gunsten des Erwerbers des Sondernutzungsrechts im Grundbuch eingetragen und verdinglicht ist.
2 Normenkette
§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG
3 Das Problem
In einer Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2015 sind sämtliche Wohnungseigentümer mit Ausnahme des teilenden Eigentümers T von Nutzen und Gebrauch der in einem Tiefgaragenplan mit "SN1" und "SN2" bezeichneten Kellerräume, bestimmter Kfz-Stellplätze und bestimmter Freiflächen ausgeschlossen. Hieran wird jeweils ein Sondernutzungsrecht für T begründet. T bzw. dessen Rechtsnachfolger sind berechtigt, diese einem anderen Wohnungseigentümer zuzuweisen. Das Benennungs- und Zuweisungsrecht endet, sobald T nicht mehr Wohnungseigentümer ist (das Nutzungsrecht an den Flächen, hinsichtlich derer T von seinem Übertragungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, soll dann auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übergehen). Im Jahr 2021 macht T, der noch Wohnungseigentümer ist, von seinem Benennungs- und Zuweisungsrecht Gebrauch. Er weist die Sondernutzungsrechte an 4 Flächen dem Teileigentum Z zu. Zugleich verkauft T die so zugewiesenen Sondernutzungsrechte an Z und beantragt die Eintragung der Sondernutzungsrechte im Teileigentumsgrundbuch. Das Grundbuchamt verlangt für die Eintragung die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer. Gegen diese Sichtweise wendet sich die T.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Die Eintragung der Sondernutzungsrechte könne nicht von der Vorlage der Bewilligung der übrigen Wohnungseigentümer und der an ihrem Wohn- und Teileigentum dinglich Berechtigten abhängig gemacht werden. Teilweise werde zwar die Ansicht vertreten, die Bewilligung aller Wohnungseigentümer sei erforderlich, um den Nachweis zu führen, dass das zunächst nur schuldrechtlich begründete Sondernutzungsrecht nicht bereits durch zulässige Abtretung übertragen worden sei. Nach einer Gegenauffassung sei dieser Nachweis aber nicht erforderlich, wenn es keine konkreten Anhaltspunkte gebe, dass das Sondernutzungsrecht tatsächlich auf einen anderen Wohnungseigentümer übertragen worden sei (Hinweis u. a. auf KG Berlin, Beschluss v. 7.2.2023, 1 W 213/22). Dem schließe sich der Senat an. Das Grundbuchamt habe darüber zu wachen, dass das Grundbuch seinen Zweck erfüllen könne, über die privatrechtlichen Verhältnisse eines Grundstücks zuverlässig Auskunft zu geben. Das Grundbuchamt dürfe daher nicht mitwirken, das Grundbuch unrichtig zu machen. Im Eintragungsverfahren habe das Grundbuchamt allerdings die sachliche Richtigkeit der Eintragung grundsätzlich nicht nachzuprüfen. Ihm obliege weder im Interesse der Beteiligten noch des Rechtsverkehrs eine allgemeine Rechtsfürsorge für die materielle Richtigkeit der im Grundbuch ausgewiesenen Rechtsverhältnisse. Es habe sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Eintragungsvoraussetzungen in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen seien. Bloße Zweifel oder Ungewissheiten über die materielle Rechtslage genügten nicht. Das Grundbuchamt – im Beschwerdeverfahren das Beschwerdegericht – müsse vielmehr überzeugt sein, dass der begehrten Eintragung Tatsachen entgegenstünden. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die bloße Möglichkeit, dass die teilende Eigentümerin die Sondernutzungsrechte an den Freiflächen bereits einem anderen Wohnungseigentümer übertragen habe, reiche nicht. Für eine solche Tatsache gebe es keine Anhaltspunkte.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es zum einen um die Frage, ob T noch berechtigt war, Sondernutzungsrechte zu übertragen. Zum anderen ist nach Ansicht des OLG zu fragen, ob es die Sondernutzungsrechte noch gab.
Ende eines "Benennungs- und Zuweisungsrechts"
Das "Benennungs- und Zuweisungsrecht" soll im Fall nach der Gemeinschaftsordnung untergehen, sobald T kein Wohnungseigentümer mehr ist. Im Fall hat T von der Zuweisungsbefugnis am 13.9.2021 Gebrauch gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war er noch Wohnungseigentümer. Die Bewilligung zur Umschreibung ging allerdings erst am 4.2.2022 beim Grundbuchamt ein. Zu diesem Zeitpunkt war T kein Wohnungseigentümer mehr. Das OLG meint, dies schade nicht. Für den Fortbestand der Befugnis streite eine systematische Auslegung.
Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer
Gibt es noch keine verdinglichten Sondernutzungsrechte, kann man darüber streiten, ob die anderen Wohnungseigentümer bei der Verdinglichung ein Mitspracherecht haben. Im Fall stellte sich diese Frage nicht. Nach der Gemeinschaftsordnung war an den Flächen bzw. Räumen bereits ein verdinglichtes Sondernutzungsrecht für T begründet worden.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Der Fall klingt "abstrakt". Er wurzelt im Grundbuchrecht. Dennoch müssen sich die Verwaltungen hier auskennen, da sie wissen m...