Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens waren die Anträge der Mutter und Großmutter eines minderjährigen Kindes, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Großmutter, hilfsweise auf die Mutter zu übertragen. Das minderjährige Kind wurde nichtehelich geboren, kam als Frühgeburt zur Welt und wurde nach einem stationären Aufenthalt in der Universitätskinderklinik in eine Pflegefamilie aufgenommen, wo es seither lebte. Im Haushalt der Großmutter lebte ein Halbbruder des minderjährigen Kindes.
Das AG hatte der Mutter mit Beschluss vom 21.8.2002 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das minderjährige Kind entzogen und das Kreisjugendamt als Pfleger eingesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter wurde zurückgenommen.
Sowohl Mutter als auch Großmutter vertraten die Auffassung, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das minderjährige Kind solle auf die Großmutter übertragen werden, damit das Kind aus der Pflegefamilie herausgenommen und zur Großmutter gebracht werden könne. Die Mutter beantragte hilfsweise, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sich zu übertragen. Auch in diesem Fall sollte das Kind allerdings bei der Großmutter aufwachsen.
Das FamG hat mit Beschluss vom 23.07.2004 die Anträge von Mutter und Großmutter auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurückgewiesen. Hiergegen wandten sich beide Antragstellerinnen mit ihren rechtlich selbständigen Beschwerden. Im Übrigen verfolgten beide ihren Antrag auf Regelung des Umgangsrechts der Großmutter durch einstweilige Anordnung weiter.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerden beider Antragstellerinnen für nicht begründet. Unbegründet sei auch der Antrag auf einstweilige Anordnung zur Regelung des Umgangsrechts der Großmutter mit dem minderjährigen Kind.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht sei mit rechtskräftigem Beschluss des AG vom 21.08.2002 dem Kreisjugendamt übertragen worden. Diese auf § 1666 BGB beruhende Maßnahme sei gem. § 1696 Abs. 3 BGB durch das Gericht in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen. Sie wäre nach Abs. 2 der Vorschrift dann aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr bestehe.
Das AG habe jedoch zu Recht ausgesprochen, dass die Aufhebung der Aufenthaltsbestimmungspflegschaft des Jugendamtes und Übertragung der entsprechenden Befugnisse auf die Großmutter nicht in Betracht komme, da das Kindeswohl den Verbleib in der Pflegefamilie gebiete und bei einem Wechsel zur Großmutter eine akute Kindeswohlgefährdung zu erwarten sei. Aus diesem Grunde komme auch eine Rückübertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter nicht in Betracht, weil diese ebenfalls das Ziel des Überwechseln des Kindes in den Haushalt der Großmutter verfolge.
Gem. Art. 6 Abs. 2 GG seien Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wache die staatliche Gemeinschaft. Zwar stelle Art. 6 Abs. 1 GG neben der Ehe auch die Familie unter besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. In diesen Schutz seien auch andere Bezugspersonen des Kindes wie Großeltern und Pflegeeltern einbezogen. Allerdings sei deren Grundrechtsschutz schwächer ausgeprägt als derjenige der leiblichen Eltern.
Bei Berücksichtigung des Kindeswohls müsse der Grundrechtsschutz der Antragstellerinnen zurückstehen gegenüber dessen Bedürfnis, bei seinen Pflegeeltern zu verbleiben und von diesen weiterhin betreut und versorgt zu werden. Hierfür habe sich auch die Sachverständige in ihrem Gutachten ausgesprochen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sah das OLG die Befürchtung der Sachverständigen bestätigt, wonach bei einem Wechsel des Kindes zur Großmutter ein vollständiger Kontaktabbruch zur Pflegefamilie entstehen könne.
Ferner stehe der Besitzanspruch der Großmutter in Bezug auf das Kind auch der Entwicklung eines engen und vertrauensvollen Verhältnisses des Kindes zu seiner leiblichen Mutter entgegen. Nur bei Beibehaltung des bisherigen Lebensmittelpunktes des Kindes in der Pflegefamilie bestehe die Hoffnung, dass sich das Verhältnis des Kindes zu seiner leiblichen Mutter weiter verbessern und der Umgang weiter entspannen werde. Die Pflegefamilie habe in der Vergangenheit ihre Bereitschaft bewiesen, das Entstehen eines guten Mutter-Kind-Verhältnisses zu fördern.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Umgangsrecht der Großmutter mit dem Kind sei unzulässig. Einstweilige Anordnungen i.S.d. § 621g ZPO müssten den gleichen Verfahrensgegenstand wie das Hauptsacheverfahren haben. Das Umgangsrecht der Großmutter sei jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Auch sei nicht ersichtlich, dass das Bedürfnis nach Abänderung der bestehenden Umgangsregelung vorhanden sei, nachdem diese nach den Bekundungen der Verfahrensbeteiligten gut funktioniere.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.10.2004, 18 UF 206/2004