Leitsatz
- Maßstab der Sorgfaltspflicht eines Vorstandsmitglieds einer eG ist die nach der Verkehrsauffassung anzuwendende Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft. Dabei ist dem Vorstand im Grundsatz bei der Leitung der Geschäfte ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schwerlich denkbar ist. Dieser Handlungsspielraum kann auch im Ansatz das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken mit der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen umfassen.
- Dieser Handlungsspielraum ist jedoch dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer eG das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. So ist eine Pflichtverletzung insbesondere dann gegeben, wenn das Vorstandsmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungsgrundsätze verstößt.
- Die Verzichtswirkung bei der Entlastung eines Vorstandsmitglieds einer eG beschränkt sich auf solche Ansprüche, die der Generalversammlung bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten.
Sachverhalt
Die Klägerin war eine Genossenschaftsbank, die aus der Verschmelzung mit einer anderen Genossenschaftsbank (V.bank S. e.G.) hervorgegangen war. Die Beklagten waren Vorstandsmitglieder der V.bank S. e.G. Nach dem Geschäftsverteilungsplan war ein Vorstandsmitglied vorrangig für das Kreditgeschäft zuständig; für die Vergabe von Darlehen über 250.000 DM war allerdings die Zustimmung beider Vorstandsmitglieder notwendig. Während ihrer Vorstandstätigkeit verursachten die Beklagten aufgrund ihrer fehlenden fachlichen Eignung und bankgeschäftlichen Erfahrung eine so große geschäftliche Fehlentwicklung, dass die V.bank S. e.G. in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geriet. Die drohende Insolvenz konnte nur durch die Verschmelzung mit der Klägerin vermieden werden. Die Ursachen der entstandenen finanziellen Schwierigkeiten lagen vor allem trotz mehrfacher Warnungen und Ermahnungen des damaligen Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen in der von den Beklagten betriebenen unverhältnismäßig expansiven Kreditpolitik und Kreditvergaben, die zumeist ohne die erforderliche Bonitätsprüfung und ohne hinreichende Sicherheiten erfolgten, so dass die risikobehafteten Blankokredite und -kreditanteile überhand nahmen.
Die Klägerin nahm die Beklagten für erlittene Ausfälle aus zwei der während ihrer Vorstandstätigkeit eingegangenen risikobehafteten Kreditengagements in Anspruch. In den Prüfungsberichten des zuständigen genossenschaftlichen Prüfungsverbands wurden die Versäumnisse der Beklagten in den betreffenden Geschäftsjahren im Kreditgeschäft im Hauptteil und im besonderen Teil näher dargelegt, in den jeweils zweieinhalbseitigen abschließenden Zusammenfassungen jedoch nur allgemein dargestellt; die zwei o.g. risikobehafteten Kreditengagements wurden nur im besonderen Teil des Prüfungsberichts unter einer Vielzahl sogenannter "bemerkenswerter Forderungen" aufgelistet. In den Generalversammlungen wurde den Beklagten jeweils nach Vorlage der Rechenschaftsberichte des Vorstands, der Jahresabschlüsse, der Gewinn- und Verlustrechnungen, der Lageberichte sowie der Rechenschaftsberichte des Aufsichtsrats und Verlesung der zusammengefassten Prüfungsberichte ohne Gegenstimme Entlastung erteilt.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Urteilsbegründung zunächst ausgeführt, dass Maßstab der den Beklagten nach § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG bei ihrer Geschäftsführung obliegenden Pflichten die nach der Verkehrsauffassung anzuwendende Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaftsbank ist. Dabei sei zwar dem Vorstand im Grundsatz bei der Leitung der Geschäfte ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schwerlich denkbar ist. Dieser Handlungsspielraum kann nach Ansicht des Gerichts auch im Ansatz das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken mit der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen umfassen. Er sei jedoch dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaftsbank das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. So ist eine Pflichtverletzung insbesondere dann gegeben, wenn das Vorstandsmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungsgrundsätze verstößt. Das Gebot, Risiken nur in sinnvoller kaufmännischer Interessenabwägung einzugehen, bedeute für Vorstandsmitglieder einer Genossenschaftsbank, dass sie Kredite grundsätzlich nicht ohne übliche Sicherheiten gewähren dürfen und zudem für die ordnungsgemäße Bewertung der Sicherheiten sowie die Beachtung der Richtlinien über Beleihungsobergrenzen Sorge zu tragen haben. Das hätten die beiden Beklagten nicht getan. Gerade den Beklagten als Vorstan...