Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 48
Mit dem Gesetz betreffend die gewillkürte Erbfolge durch Erbvertrag (Erbvertragsgesetz, nachfolgend "ErbVG") sind mit Wirkung ab dem 17.1.2023 umfassende Regelungen zu den balearischen Erbverträgen in Kraft gesetzt worden. Die Vorschriften der CDICB, die zuvor Regelungen zu den Erbverträgen enthielten, sind aufgehoben worden. Die Vorschriften der Art. 6 und 53 CDCIB sind abgeändert worden. Auf Erbverträge, die vor Inkrafttreten des ErbVG errichtet wurden, findet das ErbVG nur Anwendung, wenn der entsprechende Erbvertrag durch die Vertragsparteien dem ErbVG ausdrücklich unterworfen wird (vgl. "einzige Übergangsbestimmung" des ErbVG).
Rz. 49
Hintergrund des ErbVG ist ausweislich der Gesetzesbegründung, dass in den vergangenen Jahren in merklich zunehmendem Maße von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, die Rechtsnachfolge noch zu Lebzeiten zu regeln und zu planen. Dies geht einher mit einer gestiegenen Lebenserwartung und neuen Familienmodellen. Der Gesetzgeber deutet in der Begründung nur an, dass auch die steuerlichen Anreize (vgl. Rdn 122 ff.) dazu beigetragen haben, dass die Bürger vermehrt auf die traditionsreichen Erbverträge der Inseln zurückgreifen. Die bisherige Gesetzeslage, in der die Erbverträge nur rudimentär geregelt waren, genügte nicht mehr den Ansprüchen, die mit Rücksicht auf die heutigen Lebensverhältnisse und Bedürfnisse an die gesetzlichen Regelungen zu stellen sind.
Rz. 50
Das ErbVG weist nachfolgend dargestellte Struktur auf:
Gesetzesbegründung (Abschnitte I bis VI).
Titel I – allgemeine Vorschriften (Art. 1–4)
Titel II – Die Erbfolge durch Erbvertrag auf den Inseln Mallorca und Menorca
Kapitel I – Allgemeine Vorschriften (Art. 5–10)
Kapitel II – Die Universalschenkung (Art. 11–37)
Kapitel III – Der entgeltliche Pflichtteilsverzicht (definición) (Art. 38–50)
Titel III – Die Erbfolge durch Erbvertrag auf den Inseln Ibiza und Formentera
Kapitel I – Allgemeine Bestimmungen zu Erbverträgen (Art. 51–58)
Kapitel II – Einsetzungsvereinbarungen (Art. 59–73)
Kapitel III – Vereinbarungen bzgl. Abgeltung des Pflichtteils und Pflichtteilsverzicht (Art. 74–80)
Zusatzbestimmungen
Übergangsbestimmung
Aufhebungsbestimmung
Schlussbestimmungen
Rz. 51
Anders als nach gemeinspanischem Erbrecht fällt die Erbschaft nicht nur durch Testament oder nach dem Gesetz, sondern gemäß Art. 6 CDCIB auch durch bestimmte – nunmehr im ErbVG – Verträge (Erbverträge) an. Das gemeinspanische Recht tritt der Zulässigkeit von Erbverträgen entgegen, weil es der Vorstellung anhängt, dass der Testierwille des Erblassers bis zum letzten Atemzug frei sein müsse. Ferner versagt es die Möglichkeit des Abschlusses von Erbverträgen mit Rücksicht auf die Besorgnis, der erbvertraglich Begünstigte könnte sich den Tod des Erblassers wünschen oder diesen sogar herbeiführen. Demgegenüber stehen für das balearische Erbrecht eher die Vertragsfreiheit und das Bestreben im Vordergrund, die Einheit des Familienvermögens zu wahren. Dies wird durch den Abschluss entsprechender Erbverträge – in freilich unterschiedlicher und durch das Gesetz vorgegebener Ausprägung – erreicht. Zulässig sind nur solche Erbverträge, die sich ihrem Inhalt nach im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Typen halten. Insofern weichen die Regelungen des ErbVG deutlich von den gemeinspanischen Regelungen der Art. 1271 Abs. 2, 816 und 991 CC ab, die prinzipiell Erbverträge für unzulässig erklären.
Rz. 52
Soweit Erbverträge auslegungsbedürftig sind, wird vertreten, dass nicht an der Bezeichnung des Vertrages festzuhalten, sondern der Vertragstypus nach dessen Inhalt zu bestimmen ist. Für Mallorca und Menorca sind in Art. 9 ErbVG, für Ibiza und Formentera in Art. 58 ErbVG besondere Auslegungsregeln gesetzlich niedergelegt. Ob neben diesen Vorschriften noch Raum für die Auslegung des Erbvertrages nach Art. 675 CC und nach den Art. 1281–1285 CC bleibt, erscheint zweifelhaft.
Rz. 53
Zu unterscheiden sind grundsätzlich zwei Typen von Erbverträgen: solche, die Erbrechte begründen (donación universal – Mallorca und Menorca, Art. 11–37 ErbvG; pactos de institución a título universal/a título singular – Ibiza und Formentera, Art. 59–70 ErbVG; sog. pacto de succedendo), und solche, die die Entstehung von Erb- bzw. Pflichtteilsrechten verhindern (definición – Mallorca und Menorca, Art. 38–50 ErbVG; finiquito – Ibiza und Formentera, Art. 74–80 ErbVG). In beiden genannten Konstellationen kommt eine Inanspruchnahme des jeweiligen Rechtsinstituts grundsätzlich (nach heute h.M. und Gesetzslage auch in Bezug auf die definición) auch durch Ausländer in Betracht. Es kommt darauf an, ob der zukünftige Erblasser, dessen Nachlass durch den Erbvertrag betroffen ist, zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf der betreffenden balearischen Insel hat, um deren Recht es geht, denn maßgeblich ist das zu diesem Zeitpunkt maßgebliche hypothetische Erbstatut. Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers auf der betreffenden Insel gegeben, kann g...