Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 133
Nach spanischem Einkommensteuerrecht wird auf den Veräußerungsgewinn bei allen Arten von lebzeitigen Übertragungen Einkommensteuer (bei Nichtansässigen in Form des Impuesto sobre la Renta de las Personas No Residentes, kurz "IRNR") erhoben. Auch wenn bei Schenkungen die Freigebigkeit des Schenkers an sich ein Veräußerungsgewinn der Logik nach ausgeschlossen ist, so ist auch bei unentgeltlicher lebzeitiger Übertragung ein fiktiver Veräußerungserlös (errechnet aus der Differenz zwischen Erwerbswert und Wert bei Übertragung) mit der Einkommensteuer zu versteuern. Gerade bei Immobilien, die der Schenker selbst günstig vor längerer Zeit (ggf. auch unterverbrieft) erworben hatte und die deshalb einen relevanten Wertzuwachs erfahren haben, kann die Einkommensteuer sich auf einen sehr erheblichen Betrag belaufen. Der durch einen Nichtresidenten generierte Veräußerungsgewinn unterliegt derzeit einer Besteuerung in Höhe von 19 % (IRNR). Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob in Bezug auf unentgeltliche Übertragungen, die sich zwar lebzeitig vollziehen, aber erbschaftsteuerlich und zivilrechtlich als Erwerbe mortis causa darstellen, eine solche Besteuerung zulässig ist. Von der Einkommensteuer ausgenommen sind nämlich gemäß Art. 33.3 lit. b) LIRPF unentgeltliche Erwerbe von Todes wegen.
Rz. 134
Die Finanzverwaltung hat über Jahre hinweg die donación universal und die Schenkung im Rahmen der definición der Besteuerung mit der Einkommensteuer unterworfen und dies in zahlreichen Anrufungsauskünften verteidigt. Allerdings hat der spanische Oberste Gerichtshof sich mit der entsprechenden Frage in Bezug auf ein vergleichbares Rechtsinstitut des galizischen Rechts (apartación) befasst und ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass aufgrund des erbrechtlichen Charakters der lebzeitigen Übertragung eine Besteuerung mit Einkommensteuer unzulässig sei. Die Begründung des Obersten Gerichtshofs ist einleuchtend: Nimmt der Gesetzgeber in Art. 33.3 lit. b) LIRPF "Erwerbe von Todes wegen" von der Besteuerung mit der Einkommensteuer aus und definiert er die entsprechende Begrifflichkeit nicht, so knüpfen die im Steuerrecht verwendeten Begrifflichkeiten an die des Zivilrechts an. Vollzieht sich nun aufgrund eines Rechtsgeschäfts eine Übertragung unter Lebenden, so ist eine Besteuerung mit Einkommensteuer ausgeschlossen, wenn es sich nach – ggf. foralrechtlichen Gesichtspunkten – zivilrechtlich um einen Erwerb mortis causa handelt. Gerade diese Überlegungen treffen in Bezug auf definición und donación universal zu, was für eine Übertragung dieser Überlegungen auf die balearischen Erbverträge auch in einkommensteuerlicher Hinsicht spricht.
Rz. 135
Die Versuchung ist groß, sich eines entsprechenden Erbvertrags mit lebzeitiger Übertragung zu bedienen, um den Einstandswert der schenkungsgegenständlichen Liegenschaft im Hinblick auf die Besteuerung des Veräußerungsgewinns mit der span. Einkommensteuer mit Rücksicht auf Art. 36 BGAS und Art. 36 LIRPF weitestgehend steuerfrei zu aktualisieren und erst dann (bspw. an einen Dritten) wiederum nahezu steuerfrei zu veräußern. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Anhebung des Wertes auch vermögensteuerliche Konsequenzen haben kann.
Rz. 136
Mit dem Gesetz betreffend Maßnahmen zur Vermeidung und Kampf gegen den Steuerbetrug sind von Seiten des zentralstaatlichen Gesetzgebers Maßnahmen unternommen worden, um den Einsatz des lebzeitigen Erwerbs durch Erbvertrag zum Zwecke der Steuervermeidung im Bereich der Einkommensteuer einzudämmen.
Rz. 137
Zwar entsteht für den Schenker im Rahmen einer Universalschenkung oder definición weiterhin keine Einkommensteuerpflicht. Der durch Erbvertrag lebzeitig Bedachte, der den erworbenen Gegenstand vor dem Tod des Erblassers oder innerhalb von fünf Jahren seit dem Erwerb weiterveräußert, wird hingegen ab dem 11.7.2021 bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinns im Rahmen der Einkommensbesteuerung nunmehr gemäß Art. 36 LIRPF n.F. auf den Erwerbszeitpunkt und Einstandswert des Schenkers verwiesen. Hiermit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass lebzeitige Übertragungen durch bestimmte Erwerbverträge zur steuerneutralen Aktualisierung des Einstandswertes missbraucht werden können, um bei anschließenden Übertragungen den Anfall von steuerbaren Veräußerungsgewinnen zu vermeiden. Die gegen diese Gesetzesreform erhobene Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos.