Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
a) Allgemeines
Rz. 83
Das im Titel III ErbVG (Art. 51–80 ErbVG, vormals im Dritten Buch, Kapitel IV CDCIB geregelte Recht der Erbverträge für Ibiza und Formentera gewährt – pauschal gesprochen – den Vertragsschließenden gegenüber dem Erbrecht von Mallorca und Menorca noch weitergehende Freiheiten. Es sind dabei zwei Gruppen von Verträgen zu unterscheiden:
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Erbverträge, durch die Erbrechte gewährt werden (Art. 59–73 ErbVG), und |
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Erbverzichtsverträge (sog. finiquito), Art. 74–80 ErbVG. |
Rz. 84
In beiden Fällen ist die Errichtung des Erbvertrages in öffentlicher Urkunde gem. Art. 52 ErbVG Wirksamkeitsvoraussetzung (Art. 72 CDCIB a.F.). Die Fähigkeit, Erbverträge zu schließen, ist für Ibiza und Formentera in den Art. 59, 60, 69, 71 und 75 ErbVG spezifisch geregelt. Dies gilt auch für die Stellvertretung, die gesondert in Art. 61 ErbVG geregelt ist, wonach der Erblasser den Erbvertrag durch einen mit Sondervollmacht versehenen Bevollmächtigten schließen kann. Der Eingesetzte kann durch einen Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter bei Abschluss des Erbvertrages vertreten werden.
b) Erbverträge (pactos sucesorios)
Rz. 85
Durch Erbvertrag können gemäß Art. 51 Abs. 1 ErbVG alle letztwilligen Verfügungen betreffend die Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge getroffen werden. Somit können mit erbvertraglicher Bindungswirkung Erben (Art. 66–99 ErbVG) oder Vermächtnisnehmer (Art. 70–73 ErbVG) eingesetzt werden. Ferner können Ersatzanordnungen, Bedingungen, Vorbehalte, Verzichte und Rückfallklauseln vereinbart werden.
Rz. 86
Zu den Erbverträgen gehört gemäß Art. 51 Abs. 2, 66 Abs. 2 ErbVG auch die bereits aus dem mallorquinischen Recht bekannte donación universal (siehe Rdn 54 ff.), auch wenn diese für Ibiza und Formentera nicht so detailliert ausgestaltet ist. Nicht nur bei Einsetzung eines Vertragserben, auch bei vertraglicher Einsetzung eines Vermächtnisnehmers kann dies mit oder ohne lebzeitige Zuwendungen zugunsten des Bedachten einhergehen (Art. 65 ErbVG). Beispielsweise ist in Art. 68 Abs. 2 ErbVG vorgesehen, dass bei Erbverträgen, durch die bereits eine lebzeitige Übertragung von Vermögenswerten erfolgt, sich der Erblasser das Recht vorbehalten kann, über die betreffenden Güter aufgrund jeglichen Rechtsgrundes zu verfügen. Auch hier soll der Erwerb der Erbschaft auch ohne Erbannahme stattfinden (Art. 66 Abs. 1 ErbVG); allerdings kann der eingesetzte Erbe die Haftung auf den Nachlass beschränken.
Rz. 87
Geht mit dem Erbvertrag keine gegenwärtige Übertragung von Gütern einher, so kommt ein sog. Erbeinsetzungsvertrag (pacto de institución) in Betracht (Art. 69 ErbVG). Mit diesem wird ein Vertragserbe bestimmt. Der Erblasser behält in dieser Konstellation das Eigentum an seinem Vermögen, darf allerdings gem. Art. 69 Abs. 2 S. 2 ErbVG nicht in Umgehung des Erbvertrages handeln. Die Erbeinsetzung ist wegen der höchstpersönlichen Eigenschaft der Einsetzung unwirksam, wenn der Erbe den Erblasser nicht überlebt (Art. 69 Abs. 2 S. 2 ErbVG, Art. 75 CDCIB a.F.).
Rz. 88
Erbverträge sind dem Grundsatz nach gem. Art. 62 Abs. 1 ErbVG unwiderruflich. Sie können nur gemeinsam durch die Vertragsschließenden in öffentlicher Urkunde aufgehoben oder modifiziert werden. Weiterhin können sie einseitig bei Vorliegen der in Art. 69 CDCIB genannten Erbunwürdigkeitsgründe widerrufen werden (Art. 62 Abs. 1 lit. b) ErbVG). Daneben greifen weitere Gründe gem. Art. 62 Abs. 1 (bspw. Nichterfüllung der durch Erbvertrag auferlegten Bedingungen und Auflagen) die durch die CDCIB nicht verdrängten Vorschriften über die Anfechtung wegen Irrtums, Drohung oder Täuschung ein.
c) Erbverzichtsverträge (finiquito)
Rz. 89
Hinsichtlich der Erbverzichtsverträge verwies Art. 77 CDCIB a.F. auf die für Mallorca geltenden Regelungen, soweit diese mit der Funktion und Bedeutung der entsprechenden Regelungen für die Inseln Ibiza und Formentera vereinbar sind. Dem Grundsatz nach waren somit die Vorschriften der Art. 50 und 51 CDCIB a.F. somit in Ergänzung zu den Regelungen des Dritten Buches auch für die Inseln Ibiza und Formentera anwendbar. Dies bedeutet insbesondere auch eine Erstreckung auf das entsprechende Erfordernis der lokalen Gebietszugehörigkeit wenigstens des Erblassers zu Ibiza oder Formentera.
Rz. 90
Der Abkömmling verzichtet gem. Art. 74 ErbVG mit Rücksicht auf eine Schenkung oder einen Ausgleich auf seinen Noterbteil oder alle Rechte, die ihm am Nachlass des Erblassers – einem Verwandten in aufsteigender Linie – zustehen können. Hiermit ist eine höhere Flexibilisierung verbunden, denn der Verzicht kann aufgrund der großzügigen Gesetzesfassung auch als teilweiser Verzicht erklärt werden (Art. 77 Abs. 1 lit. b) ErbVG). Im Falle des finiquito kann die lebzeitige Zuwendung zudem auch durch einen Vertragserben des Erblassers vorgenommen werden. Nach alter Gesetzeslage war anerkannt, das...