Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 148
Etwaige Pflichtteilsansprüche beurteilen sich nach dem Recht, welches für die Erbfolge insgesamt gilt, dem Erbstatut. Dieses bestimmt sich für Erbfälle, die ab dem 17.8.2015 eingetreten sind, nach den Art. 21, 22 EuErbVO.
Rz. 149
Das Recht auf den Noterbteil nach dem (gemein-)spanischen Código Civil (die legítima) unterscheidet sich wesentlich vom deutschen Pflichtteilsrecht. Der "Noterbe" (legitimario) nach spanischem Recht hat die Stellung eines dinglich am Nachlass Berechtigten, d.h., er kann nicht ganz enterbt werden. Der Begriff "Noterbrecht" ist mit Vorsicht zu genießen, denn der Noterbberechtigte ist als solcher nicht notwendig Universalerbe. Er tritt nicht in seiner Eigenschaft als legitimario in die Rechte und Pflichten des Erblassers ein, auch wenn der Erblasser ihn – in Erfüllung seines Noterbrechts – testamentarisch zum Allein- oder Miterben einsetzen kann, so dass er dann echter Universalerbe wird. Die legítima kann aber auf verschiedenem Wege – sei es bspw. durch Zuwendung eines Vermächtnisses oder durch Schenkung – erfüllt werden (Art. 815 CC). Die Verwendung des Begriffs heredero forzoso (Noterbe) in Art. 806 CC wird deshalb wegen der Missverständlichkeit kritisiert. Das Noterbrecht ist damit echter Anteil am Nachlass (pars hereditatis bzw. pars bonorum), kein bloßes Forderungsrecht. Dies hat Konsequenzen für die Erbteilung (vgl. Rdn 178).
Rz. 150
Als legítima (Noterbteil) wird derjenige Teil des Nachlasses bezeichnet, über den der Erblasser nicht verfügen kann (im Sinne von "nicht dürfen"). Der Noterbteil ist von Gesetzes wegen für den oder die Noterben bestimmt; er ist nicht disponibel und kann nur bei Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes i.S.d. Art. 852 ff. CC entzogen werden bzw. fällt bei Erbunwürdigkeit des Noterbberechtigten ggf. seinen Abkömmlingen zu (Art. 761 CC). Auch kann die legítima nicht beschwert oder mit einer Bedingung belastet werden (Art. 813 S. 1 bzw. 2 CC). Dies gilt mit Ausnahme des Witwennießbrauchs (Art. 834 CC) und in den Fällen der Enterbung bzw. Belastung des Noterbrechts in guter Absicht (Art. 782, 808 CC), vgl. Rdn 138). Zudem ist ein Verzicht der Noterben auf ihren künftigen Noterbteil nach Art. 816 CC unzulässig; jeder Verzicht wie auch entsprechende Vereinbarungen mit den Noterben sind nichtig. Selbst wenn gemeinspanisches Erbrecht das Erbstatut ausfüllt, kann der Verzicht allerdings nach Art. 25 EuErbVO wirksam sein, wenn der Erbvertrag unter einer Rechtsordnung errichtet wurde, die einen Pflichtteils- bzw. Noterbrechtsverzicht zulässt. Um ein Verbot, das als Teil des orden público im Sinne des Art. 35 EuErbVO in jedem Falle durchzusetzen ist, soll es sich bei Art. 816 CC nicht handeln. Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, ob der Verzicht auf das Noterbrecht später volle Wirkung entfaltet, wenn das Erbstatut letztlich durch das gemeinspanische Recht ausgefüllt wird.