Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 11
Zunächst fand sich in Art. 12 (1) CC die ausdrückliche Regel, dass die Qualifikation zur Bestimmung der anwendbaren Kollisionsnormen immer nach spanischem Recht geschieht (lex fori-Qualifikation). Das – vor Geltung der EuErbVO über Art. 9.8 CC – bestimmte Erbstatut selbst regelt den erbrechtlichen Bereich in seiner Breite; wegen der Einzelheiten zur alten Rechtslage vor Geltung der EuErbVO wird auf die Rn 11 ff. der 4. Auflage verwiesen.
Rz. 12
Im interregionalen Normenkonflikt gilt: Für Rechte, die kraft Gesetzes dem überlebenden Ehegatten zustehen, gilt nach Art. 9.8 S. 3. CC vorrangig das Ehewirkungsstatut, allerdings nur, soweit dadurch nicht Noterbteile der Abkömmlinge betroffen sind. Diese Vorschrift kommt zwar in den Fällen, in denen spanisches Erbrecht über Art. 36 Abs. 2 EuErbVO berufen wird (sog. Direktverweisung) nicht mehr zur Anwendung. Wird spanisches Recht hingegen über Art. 36 Abs. 1 EuErbVO durch indirekte Verweisung zur Anwendung berufen, kann Art. 9.8 S. 3 CC auch in einem internationalen Kontext die maßgebliche spanische Teilrechtsordnung bestimmen. Insoweit gilt also: Das Ehewirkungsstatut i.S.v. Art. 9.2 CC (siehe Rdn 14) bestimmt das Erbstatut in Bezug auf die Rechte des Ehegatten. Da es bei unterschiedlichem Erb- und Ehewirkungsstatut zu (Gesetzes-)Kollisionen kommen kann, hat der spanische Gesetzgeber die entsprechende Kollisionsnorm in Art. 9.8 S. 3 CC unmittelbar an die Regelung des Erbstatuts angehängt. Dieser Regelung kommt durchaus Überraschungscharakter zu und bedarf deshalb einer eingehenden Erläuterung. Ihr Zweck ist es, "Angleichungsprobleme zwischen Erb- und Güterstatut zu vermeiden".
Rz. 13
Gemäß Art. 9.8 S. 3 CC gilt für die "Rechte, die kraft Gesetzes dem überlebenden Ehegatten zugewiesen werden, das Recht, welches die Ehewirkungen regelt". Dies bedeutet ein Abgehen von dem Prinzip, dass die Staatsangehörigkeit das Erbstatut bestimmt (Art. 9.8 S. 1 CC), und von dem Grundsatz der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit; vielmehr ist für einen Teilbereich (das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht) das hiervon abweichende Recht der Ehewirkungen gem. Art. 9.2 und 9.3 CC (im Ergebnis das Güterstatut) maßgeblich. Es tritt insoweit eine "subjektive Nachlassspaltung" ein. Insbesondere die Aufsichtsbehörde für Register und Notariate (Dirección General de los Registros y del Notariado) hatte in der Vergangenheit wiederholt versucht, den Anwendungsbereich des Art. 9.8 S. 3 CC restriktiv auf Fragen des Ehewirkungsrechts zurückzudrängen, um hierdurch eine Nachlassspaltung zu vermeiden. Der Tribunal Supremo (fortan: TS, Oberster Gerichtshof) hat mit seinem Urt. v. 28.4.2014 (rec. 2105/2011) diesen nun seit langer Zeit schwelenden Streit zugunsten einer dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck treuen Auslegung von Art. 9.8 S. 3 CC entschieden: Kommt spanisches Erbrecht also durch indirekte Verweisung zur Anwendung oder geht es um eine rein interregionale Normenkollision, beurteilen sich die gesetzlichen Rechte des Ehegatten (gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht) nach dem Recht der Ehewirkungen (Art. 9.2 CC), so dass insoweit dieses Recht das Erbstatut ausfüllt, während sich das Erbrecht im Übrigen – für die weiteren Nachlassbeteiligten – nach dem über Art. 36 Abs. 1 EuErbVO berufenen Recht der bürgerlich-rechtlichen Gebietszugehörigkeit des Erblassers bestimmt. Der freilich noch immer (für den Fall eines interregionalen Normenkonflikts) erhobenen Gegenauffassung wurde durch eine weitere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Boden entzogen.
Rz. 14
Das auf die Ehewirkungen anwendbare Recht ist in Art. 9.2 CC normiert und auf den Zeitpunkt bei Eheschließung oder unmittelbar danach fixiert (siehe auch Rdn 41 f.). Bei fehlendem gemeinsamen Heimatrecht der Eheleute gilt das von den Eheleuten durch vor der Eheschließung errichtete öffentliche Urkunde gewählte Recht eines Staates, dem einer von ihnen angehört oder in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hilfsweise und bei nicht erfolgter Wahl wird an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt unmittelbar nach der Eheschließung angeknüpft und bei dessen Fehlen an den Ort der Eheschließung.
Rz. 15
Ein vom Erbstatut abweichendes Ehewirkungsstatut kann im Hinblick auf die spanische Mehrrechtsordnung (vgl. Rdn 55 f.) nicht nur international, sondern gerade auch interregional bestehen.
Rz. 16
Hervorzuheben ist allerdings, dass Art. 9.8.3 CC aufgrund der Geltung der EuErbVO jedenfalls nicht mehr zu einer Aufspaltung des Nachlasses in das Recht zweier Mitgliedstaaten führen kann, denn Art. 21 oder Art. 22 EuErbVO sprechen (einmal unbeschadet der mitgliedstaatlichen Regelungen zum interregionalen Normenkonflikt) Sachnormverweisungen aus. Ein spanisches Gericht kann also nicht, wenn gem. Art. 22 EuErbVO das deutsche Recht das Erbstatut ausfüllt, über Art. 9.8.3 CC zur Anwendung spanischen Erbrechts im Hinblick auf die erbrechtlichen Positionen des Ehegatten gelangen. Ist hingegen spanisches Recht als Erbstatut über ...