Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
a) Einleitung
Rz. 68
Für Erbfälle nach spanischen Staatsangehörigen ist für die Bestimmung der maßgeblichen Teilrechtsordnung auf das interregionale spanische Kollisionsrecht abzustellen. Das interregionale Kollisionsrecht Spaniens knüpft an die sog. vecindad civil, d.h. die bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit, an. Soweit Art. 9.8 CC die Erbfolge von Todes wegen an die Staatsangehörigkeit anknüpft, wird dieser Anknüpfungspunkt auf Ebene des spanischen interregionalen Normenkonflikts gem. Art. 16.1 CC durch die vecindad civil ersetzt. Das Erbstatut wird also gem. Art. 9.8, 14.1, 16.1 CC durch das Erbrecht derjenigen Teilrechtsordnung ausgefüllt, deren Gebietszugehörigkeit der Erblasser besaß.
b) Erwerb durch Geburt
Rz. 69
Die bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit hebt weder auf die Eintragung ins Melderegister noch auf eine verwaltungsrechtliche Zugehörigkeit ab. Der Erwerb der Gebietszugehörigkeit unterliegt dem ius-sanguinis-Prinzip: Die gemeinschaftliche bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit der Eltern wird gem. Art. 14.2 CC originär durch die Geburt erworben.
Rz. 70
Ist nur einer der Ehegatten Spanier (und hat also nur dieser eine vecindad civil), so erwirbt das Kind dessen bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit. Haben die Eltern abweichende Gebietszugehörigkeiten, wird nach Art. 14.3.1, 1. Hs. CC die vecindad civil des Elternteils erworben, zu dem die Abstammung früher festgestellt wird. Diese Anknüpfungsregel versagt für eheliche Kinder, weil hier die (gleichzeitige) Vaterschaft des Ehemannes nach Art. 116 CC vermutet wird. Kinder (mit spanischer Staatsangehörigkeit) aus einer deutsch-spanischen Ehe erwerben die Gebietszugehörigkeit des spanischen Ehepartners. Wird die Abstammung gleichzeitig festgestellt und haben die Eltern unterschiedliche Gebietszugehörigkeiten, so erwirbt das im spanischen Inland geborene Kind die des Geburtsortes (Art. 14.3.1, 2. Hs. CC).
Rz. 71
Wird ein Kind im Ausland geboren und besitzen die Eltern unterschiedliche Gebietszugehörigkeiten und wird die Abstammung von einem Elternteil nicht früher festgellt, erwirbt es die vecindad civil gemeinspanischen Rechts (vecindad civil común). Dies ist verfassungsgemäß und verletzt nicht den Grundsatz der Gleichberechtigung der verschiedenen Teilrechtsordnungen untereinander. Die Eltern können den subsidiär vorgesehenen Erwerb der Gebietszugehörigkeit des Geburtsortes wie auch die Unterstellung unter gemeinspanisches Recht abwenden, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt die Gebietszugehörigkeit bestimmen. Ausgewählt werden kann zwischen den Gebietszugehörigkeiten beider Eltern. Die entsprechende Erklärung ist vor dem Personenstandsregister abzugeben.
c) Einfluss der Eheschließung auf die vecindad civil?
Rz. 72
Zwar ändert die Eheschließung für sich betrachtet nichts an der einmal erworbenen Gebietszugehörigkeit. Die diskriminierende Vorschrift des Art. 14.4 CC a.F., wonach die Ehefrau mit der Eheschließung die bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit des Ehemannes erwirbt, ist obsolet. Obschon es sich bei den Vorschriften betreffend den Erwerb der vecindad civil um ius cogens handelt und somit grundsätzlich den Vereinbarungen der Parteien entzogen sind, haben die Ehegatten nach Art. 14.4 CC die Option, durch Wahl der vecindad civil eines der Ehegatten zugunsten einer gemeinschaftlichen vecindad civil zu optieren. Die Wahl bestimmt – bei Anwendbarkeit spanischen Erbrechts – gem. Art. 9.8 CC letztlich direkt das auf den Erblasser anwendbare Recht der maßgeblichen Teilrechtsordnung (Art. 36 Abs. 1 EuErbVO).
d) Erwerb einer anderen vecindad civil
Rz. 73
Die Gebietszugehörigkeit ist grundsätzlich keiner Wahl zugänglich. Der Erwerb einer (anderen) Gebietszugehörigkeit tritt nach Art. 14.5 CC insbesondere in zwei Fällen ein:
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durch den zweijährigen, andauernden Aufenthalt in einer anderen Teilrechtsregion, wenn der Betreffende erklärt, dass er die neue vecindad civil annehmen möchte (Art. 14.5 Ziff. 1 CC), oder |
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durch den zehnjährigen Aufenthalt in einer anderen Teilrechtsregion ohne gegenteilige Erklärung vor dem Standesamt (Art. 14.5 Ziff. 2 CC). Außer Betracht bleibt bei der Berechnung allerdings die Zeit der Minderjährigkeit, wobei umstritten ist, ob die Frist erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres ... |