Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 156
Die Vorschriften des Noterbrechts sind zwingendes Recht (ius cogens). Wird ein (nicht wirksam enterbter) Noterbe vollständig übergangen, so ergeben sich dessen Rechte aus Art. 814 CC. In diesem Fall wahrt der Noterbe seine Rechte durch Erhebung einer Herabsetzungsklage, die von dem übergangenen Noterben gegen die übrigen, nicht übergangenen Noterben wie auch die sonstigen Nachlassbeteiligten zu erheben ist, die durch die Herabsetzungsklage betroffen sind. Zweifelhaft ist, welche Rechtslage bei vollständiger Übergehung in den Erbschein aufzunehmen ist. Dabei differenziert das Gesetz hinsichtlich der Wirkungen der Übergehung danach, ob sie bewusst oder unbewusst erfolgt ist. Ein übergangener Abkömmling kann im Falle der bewussten Übergehung durch die Herabsetzungsklage nur erreichen, dass ihm die legítima estricta zuerkannt wird (vgl. Rdn 152 f.). Das Noterbrecht verletzende Schenkungen sind gem. Art. 654 CC angreifbar.
Rz. 157
Noterben, die weniger als den ihnen zustehenden Noterbteil erhalten, können Ergänzung ihres Noterbteils verlangen (Art. 815 CC), sog. acción de suplemento de la legítima. Die entsprechende letztwillige Verfügung, die den Noterbteil schmälert, wird auf Antrag des betroffenen Noterben so weit gekürzt, bis der Noterbteil erfüllt werden kann (Art. 817 CC). Welche Fristen hierfür gelten ist streitig. In diesem Umfang, um den das Noterbrecht geschmälert wird, ist die Verfügung unwirksam. Der beeinträchtigte Noterbe kann sein Herabsetzungsverlangen notfalls auch klageweise gegen Beschenkte und Vermächtnisnehmer gem. Art. 820, 821, 822 CC geltend machen, wenn das relictum nicht zur Bedienung des Noterbrechts ausreicht.
Der unter Anführung eines Enterbungsgrundes testamentarisch enterbte Noterbe ist gehalten, den Verlust des Noterbrechts durch fristgebundene Klageerhebung gem. Art. 851 CC wiederherzustellen.
Rz. 158
Bei Übergehung des überlebenden, weder nach dem Gesetz noch faktisch getrennten Ehegatten gilt Folgendes: Da ihm das Gesetz als Noterbrecht nur einen Nießbrauch an einem Teil des Nachlasses zubilligt (er also auch nicht echter Miterbe wird), beeinträchtigt die Übergehung die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung nicht. Der übergangene Ehegatte hat nur die Möglichkeit, die Einräumung des ihm zustehenden Nießbrauchs zu verlangen (Art. 807 Nr. 3 i.V.m. Art. 834–839 CC). Er wird dadurch geschützt, dass die Teilung des Nachlasses nur mit seiner Zustimmung erfolgen kann. Ob der Nießbrauch dann in Höhe des in Betracht kommenden Anteils am ganzen Nachlass, damit auch zulasten etwaiger Noterben, oder aber nur an jenem Teil, der keinem Noterbrecht unterliegt (dem frei verfügbaren Vermögensanteil, siehe Rdn 155) entsteht, beantwortet sich nach dem Gesetz nicht eindeutig. Aus dem Wesen des Noterbrechts des überlebenden Ehegatten sowie letztlich auch wegen des Umstands, dass der Noterbteil nicht beschwert werden darf (Art. 813 CC), ergibt sich im Ergebnis zutreffend, dass beim Zusammentreffen von Noterben und Abkömmlingen als Erben der Nießbrauch des überlebenden Ehegatten ausschließlich zu Lasten des Mejora-Anteils geht (Art. 834 CC).
Rz. 159
Schenkungen der Aszendenten (Eltern, Großeltern) an ihre Kinder werden im Falle des Versterbens des Kindes vor den Eltern nach Art. 812 CC ipso iure unwirksam, wenn das Kind selbst keine Nachkommen hat. Das Vorversterben des beschenkten Kindes wirkt in Ansehung der Schenkung wie das Eintreten einer auflösenden Bedingung. Sind Kinder vorhanden, sind diese erbunwürdig oder schlagen die Erbschaft aus, so greift die angeordnete Sonderrechtsnachfolge nicht ein.