Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 38
In der EuErbVO findet sich ein Ordre-public-Vorbehalt in Art. 35. Der spanische ordre public (orden público) ist in Art. 12 Ziff. 3 CC niedergelegt. Danach "findet ein ausländisches Recht in keinem Falle Anwendung, wenn es im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung steht". Eine nähere, positive Umschreibung des Begriffs "öffentliche Ordnung" findet sich nicht. Gemäß international-privatrechtlicher Übereinstimmung findet auch der spanische ordre public nur restriktive Anwendung. Seine Anwendung ist von Fall zu Fall zu prüfen. Er kann eingreifen, wenn aufgrund des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts essentielle Normen und Grundwerte der inländischen Rechtsordnung ausgehebelt werden. Dies wurde im Falle eines iranischen Erblassers, der ohne Testamentserrichtung seine deutsche Ehefrau und Kinder – nicht muslimischen Glaubens – hinterließ und Vermögenswerte in Deutschland und Spanien besaß, gerichtlich festgestellt. Trotz Verweisung auf materielles iranisches Erbrecht, wonach Muslime nur von Muslimen beerbt werden dürfen (Bestimmung des Korans), kamen sowohl das deutsche als auch das spanische Nachlassgericht im jeweiligen Erbscheinsverfahren zu dem Ergebnis, dass wegen Verletzung des Diskriminierungsverbots aus Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 14 Constitución Española (i.V.m. Religionsfreiheit Art. 4 Abs. 2 GG bzw. Art. 16 CE) ein Verstoß gegen den spanischen ordre public vorliegt.
Rz. 39
Zu erbrechtlichen Instituten lässt sich Folgendes feststellen: Der Código Civil verbietet es in Art. 669 spanischen Staatsangehörigen, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten. Dieses Verbot gilt für Spanier, die der Geltung des Código Civil unterliegen, absolut; es bezieht sich ausdrücklich auch auf im Ausland von Spaniern errichtete gemeinschaftliche Testamente (Art. 733 CC). Lediglich in einigen Foralrechten (siehe Rdn 55 f.) ist die Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten vorgesehen, nämlich in Aragón, in Navarra, im Baskenland und Galicia. Insoweit fragt sich, ob das Verbot des gemeinschaftlichen Testaments nach dem gemeinspanischen Código Civil zum orden público zu zählen ist. Dann bezöge sich das Verbot letztlich auch auf solche Ausländer in Spanien, deren Heimatrecht das gemeinschaftliche Testament zulässt. Dem ist indes nicht so. Der Oberste Gerichtshof hat mit Urt. v. 8.10.2010 die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments deutscher Eheleute aus spanischer Sicht ausdrücklich mit der Begründung bestätigt, es komme für die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments auf das Erbstatut an; dem aus Art. 669 CC hervorgehenden Verbot gemeinschaftlichen Testierens komme nicht der Rang einer Norm des orden público zu, was sich gerade daran veranschaulichen ließe, dass sogar auf spanischem Staatsgebiet bestehende Teilrechtsordnungen gemeinschaftliche Testamente zulassen. Zumindest seit Spaniens Beitritt zum Haager Testamentsformabkommen (siehe Rdn 22) können solche Testamente, die von deutschen Eheleuten (noch) in der Heimat errichtet worden sind, auch in Spanien Gültigkeit und Anerkennung beanspruchen, wenn sie in Form und Inhalt dem deutschen (Sach-)Recht entsprechen.
Rz. 40
Für das besondere spanische Pflichtteilsrecht (Legítima) hat der Tribunal Supremo 1996 entschieden, dass es sich dabei um keine durch den spanischen ordre public geschützte Rechtsmaterie handele. Selbst in Bezug auf eine Rechtsordnung, die überhaupt keine Pflichtteilsansprüche vorsieht, wie etwa die englische, ist die Frage verneint worden – unter Hinweis darauf, dass auch das Foralrecht von Navarra dem Erblasser die Vereinbarung eines Erbverzichts gestatte.