Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 83
Das Anknüpfungskriterium der vecindad civil versagt, wenn der Erblasser nicht spanischer Staatsangehöriger war. Da die bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit untrennbar an die spanische Staatsangehörigkeit geknüpft ist, kommen die Normen des spanischen interregionalen Kollisionsrechts, soweit sie für einen ausländischen Erblasser auf die Gebietszugehörigkeit abstellen, zu keinem klaren Ergebnis. Es stellt sich also für den Erbfall ab 17.8.2015 eines deutschen Staatsangehörigen mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien (Art. 21 EuErbVO) die Frage, woran die Bestimmung der maßgeblichen Teilrechtsordnung angeknüpft wird.
Rz. 84
Im Prinzip kommen zwei Lösungen in Betracht:
(1) |
Es wird vertreten, dass bei Anwendung spanischen Erbrechts auf Ausländer eine direkte Verweisung auf das Recht einer spanischen Teilrechtsordnung erfolgt (Art. 36 Abs. 2 EuErbVO), weil das spanische interregionale Kollisionsrecht nicht geeignet sei, den Normenkonflikt selbst zu lösen. Zur Begründung wird angeführt, dass das spanische interregionale Kollisionsrecht keine Regelungen für diese Situation vorsieht, da Ausländer keine vecindad civil erwerben können. Der Vorrang der indirekten Verweisung (Art. 36 Abs. 1 EuErbVO entfalle somit und es sei Raum für Anwendung der direkten Verweisung gegeben. |
(2) |
Nach der Gegenauffassung wird an der "indirekten Verweisung" nach Art. 36 Abs. 1 EuErbVO festgehalten und die maßgebliche spanische Teilrechtsordnung durch entsprechende Anwendung der Regelungen des interregionalen spanischen Kollisionsrechts ermittelt. An die Stelle der vecindad civil tritt als Anknüpfungspunkt der "gewöhnliche Aufenthalt". Dies lässt sich unter Bezugnahme auf Art. 9.10 CC damit begründen, dass dann, wenn die Staatsangehörigkeit (bzw. hier: die Gebietszugehörigkeit) unbestimmt ist, bezüglich des Personalstatuts auf das Recht des "gewöhnlichen Aufenthalts" abgestellt wird. Diese Lösung erscheint insoweit vorzugswürdig, da mit ihr der in Art. 36 EuErbVO niedergelegte Grundsatz der Subsidiarität der direkten Verweisung und Vorrang der indirekten Verweisung gem. Art. 36 Abs. 1 EuErbVO respektiert und ein Eingriff in das nationale interregionale Kollisionsrecht vermieden wird. Der Streit zwischen der einen oder anderen Auffassung wird aber nur in seltenen Fällen praktische Auswirkungen haben. |
Rz. 85
Der Umstand, dass auf einen ausländischen Staatsangehörigen unter Anwendung von Art. 9.10 CC das Recht seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts Anwendung findet, vermag einen gewissen Wertungswiderspruch darstellen, denn spanische Staatsangehörige erwerben eine neue vecindad civil gem. Art. 14.5 CC erst nach zwei bzw. zehn Jahren. Ausländer können die Anwendbarkeit des Rechts einer Gebietseinheit somit deutlich schneller erreichen, als dies für spanische Staatsangehörige denkbar wäre. Zu diesem Wertungswiderspruch kann es jedoch auch bei Anwendung der direkten Verweisung nach Art. 36 Abs. 2 lit. a) EuErbVO kommen.
Soweit die Befürworter der direkten Verweisung das Recht der berufenen Teilrechtsordnung vor Anwendung daraufhin befragen wollen, ob es "seinerseits überhaupt anwendbar sein will", wird verkannt, dass etwaige foralrechtliche Kollisionsvorschriften schon aufgrund der verfassungsmäßigen Kompetenzzuweisung (vgl. Rdn 7) keine Geltung im Bereich des Kollisionsrechts besitzen.