Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
I. Spanisches Erbkollisionsrecht und EuErbVO
Rz. 6
Die Darstellung des spanischen internationalen Erbkollisionsrechts wurde auch durch das Inkrafttreten der EuErbVO nicht obsolet. Zwar verdrängt die EuErbVO in ihrem Anwendungsbereich das nationale IPR der Mitgliedstaaten, so dass die Bestimmung der Rechtsordnung, die das Erbstatut ausfüllen soll, nicht mehr Art. 9.8 CC, sondern den Kollisionsvorschriften der EuErbVO zu entnehmen ist (vgl. Rdn 63 ff.). Das nationale spanische Erbkollisionsrecht behält seine Relevanz vor allem in folgenden Konstellationen: (a) "Altfälle": Einerseits finden auf Erbfälle, die bis zum 16.8.2015 eingetreten sind, nach Art. 83 Abs. 1 EuErbVO weiterhin die jeweiligen nationalen Vorschriften des deutschen und des spanischen IPR Anwendung, selbst wenn sie erst nach diesem Datum abgewickelt werden. (b) Inlandssachverhalte: Andererseits gelten für die Lösung des internen spanischen Normenkonflikts zum Zwecke der Bestimmung der maßgeblichen Teilrechtsordnung innerhalb Spaniens die Vorschriften des spanischen internationalen Erbkollisionsrechts entsprechend mit der Maßgabe, dass die Staatsangehörigkeit des Erblassers gem. Art. 14.1, 16.1 CC durch die sog. vecindad civil, die bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit, ersetzt wird (vgl. Rdn 62). Dies leuchtet zunächst für rein spanische Erbfälle, die keinen Auslandsbezug aufweisen, die somit außerhalb des Anwendungsbereichs der EuErbVO liegen, ein. (c) Erbfälle unter Geltung der EuErbVO nach spanischen Staatsangehörigen, wenn spanisches Erbrecht berufen ist: Auch innerhalb des Anwendungsbereichs der EuErbVO bleibt die Kenntnis der betreffenden spanischen Vorschriften aber unerlässlich. Anders als der Entwurf der EuErbVO, der bei Mehrrechtsstaaten in Art. 28 noch eine direkte Verweisung auf das Recht der betreffenden Teilrechtsordnung vorsah – und damit die Anwendung der spanischen interregionalen Kollisionsnormen "ausgeschaltet" hätte –, ist nach der EuErbVO in Art. 36 Abs. 1 zur Regelung des internen Normenkonflikts nunmehr vorrangig das Kollisionsrecht des betroffenen Mitgliedstaates berufen (siehe Rdn 63). Die Frage, welche der spanischen Teilrechtsordnungen bei Anwendbarkeit spanischen Rechts zur Regelung eines internationalen Erbfalls berufen ist, ist demnach jedenfalls dem Grundsatz nach (ggf. mit Ausnahmen für ausländische Erblasser, vgl. Rdn 83 ff.) dem interregionalen Recht Spaniens (siehe Rdn 68 ff.) zu entnehmen. Letzteres greift auf die Normen des spanischen IPR zurück und wendet diese entsprechend auf den interregionalen Normenkonflikt an, so dass diese auch für die Regelung internationaler Erbfälle unter Geltung der EuErbVO ungeminderte Aktualität und Relevanz genießen.
II. Bestimmung des Erbstatuts aus spanischer Sicht
1. Interregionales Kollisionsrecht: Anknüpfung an die Vecindad Civil und Grundsatz der Nachlasseinheit
Rz. 7
In erste Linie ist auf Art. 21 EuErbVO (Anknüpfung an das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers) und Art. 22 EuErbVO (Anknüpfung an das durch den Erblasser gewählte Recht) abzustellen. Hinzuweisen ist zudem auf die Besonderheit, dass es nach baskischem Recht u.U. nach dem Prinzip der Troncalidad eine Sondererbfolge in Liegenschaften gibt, die auf Art. 30 EuErbVO gestützt wird und zu einer (nicht nur interregionalen, sondern auch internationalen) Nachlassspaltung führen kann.
Die Regelungen des spanischen internationalen Erbrechts (Rdn 7–11) sind grundsätzlich durch die EuErbVO unanwendbar geworden. Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuErbVO wird unmittelbar – zur Lösung des interregionalen Normenkonflikts nach Art. 16.1 CC entsprechend – auf die Vorschriften des spanischen internationalen Erbkollisionsrechts abgestellt. Die Regelungen des spanischen IPR finden sich im Titulo Prelimar des Código Civil (CC), insbesondere in den Art. 8–12 CC. Gemäß Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 Constitución Española (CE – Spanische Verfassung) fallen das spanische Internationale Privatrecht und das interregionale Kollisionsrecht in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Staates, so dass insoweit kein Raum für abweichende Regelungen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Foralrechte verbleibt.
Rz. 8
Über das – nur außerhalb des Anwendungsbereichs der EuErbVO, d.h., insbesondere für interregionale Normenkonflikte anwendbare – spanische Internationale Erbrecht bestimmt Art. 9.8 CC, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen sich nach dem Heimatrecht des Erblassers richtet, und zwar "unabhängig von der Art der Güter und dem Land, in dem sie sich befinden". Das Erbstatut wird nach spanischem IPR ausschließlich objektiv angeknüpft; die Möglichkeit einer Rechtswahl durch den Erblasser ist nicht vorgesehen.