Rz. 196

Das Foralrecht hat seine gesetzliche Grundlage in der Kompilation des Zivilrechts von Navarra (Gesetz 1/1973).[236] Die Regelung über die Rechtsnachfolge von Todes wegen findet sich im Zweiten Buch (Leyes 148 ff.).[237]

 

Rz. 197

Neben dem notariellen offenen und dem geschlossenen Testament ist als Sonderform das (Not-)Testament bei drohender Lebensgefahr vor dem Ortspfarrer vorgesehen; in jedem Fall müssen – somit anders als nach gemeinspanischem Recht – bei der Errichtung mindestens zwei, beim verschlossenen Testament sogar sieben Zeugen mitwirken (Leyes 188 ff.). Auch kennt das Sonderzivilrecht von Navarra das von mehreren Personen errichtete Testament, das sog. Brudertestament (testamento de hermandad); Ehegatten ist dieses damit als gemeinschaftliche Testament statthaft (Leyes 199 ff.). Eine weitere Besonderheit ist in der Figur des Vertrauenserben (heredero de confianza, auch treuhänderischer Erbe) zu sehen: Als solchen kann der Erblasser eine natürliche oder juristische Person einsetzen, die er ermächtigt, für den Nachlass verantwortlich zu sein und nach seinen mündlichen oder schriftlichen Anweisungen zu verfügen (Leyes 289 ff.). Eine spezielle Beschränkung der Testierfreiheit stellt der dem überlebenden Ehegatten oder dem rechtlich anerkannten Lebenspartner zustehende Treuenießbrauch dar (usufructo legal de fidelidad; Leyes 253 ff.). Er erstreckt sich auf grundsätzlich alle dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes gehörenden Vermögensgegenstände und Rechte.[238]

 

Rz. 198

Der navarresische Pflichtteil hat in Abweichung vor allem vom gemeinspanischen Recht keinen vermögensrechtlichen Inhalt; er ist rein formeller Natur. Er besteht vielmehr in der Zuwendung von "fünf im Wert herabgesetzten Geldstücken als bewegliches Vermögen" (cinco sueldos jebles o carlines, por bienes muebles) "und einem Landstreifen (etwa 8,9 Ar umfassend) im Gemeindegebiet als unbewegliches Vermögen" (y una robada de tierra en los montes comunes por bienes inmuebles), Ley 267. Rein tatsächlich ist es daher wohl nicht zwingend, den Pflichtteilsberechtigten etwas zu hinterlassen, weshalb sich in der Kautelarpraxis die Fälle häufen, in denen Erblasser versuchen, eine bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit zu Navarra zu fingieren, um ihre Rechtsnachfolge dem Erbrecht von Navarra zu unterstellen und die Rechte der Pflichtteilsberechtigten zu unterlaufen.[239]

 

Rz. 199

Bei der gesetzlichen Erbfolge wird zwischen der Erbfolge in Stammesvermögen (bienes troncales) und der in Nicht-Stammesvermögen (bienes no troncales) unterschieden – mit jeweils anderen Erbfolgeordnungen[240] (Leyes 304 ff.).

[236] Ley 1/1973 de 1 de marzo, por la que se aprueba la Compilación del Derecho Civil Foral de Navarra; zuletzt mit Foralgesetz Nr. 6 vom 3.7.2000 über die rechtliche Gleichstellung fester Partnerschaften (BOE Nr. 214 vom 6.9.2000). Texte des Foralrechts bei Hierneis, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Spanien, Texte B VI; siehe auch Hierneis, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Spanien, Rn 26, 113.
[237] Eine Eigentümlichkeit der Kompilation Navarras besteht darin, dass die Einzelbestimmungen nicht – wie sonst im spanischen Recht üblich – mit Artículo(s), sondern mit Ley bzw. Leyes bezeichnet werden.
[238] Zu weiteren Einzelregelungen des Treuenießbrauchs siehe Schömmer/Gebel, Rn 568–575 (S. 176–178); davon ausgenommene Vermögensgegenstände und Rechte nennt Ley 255.
[239] Vgl. z.B. SAP Rioja v. 7.4.2014, rec. 68/2013; siehe auch oben Rdn 75.
[240] Siehe Schömmer/Gebel, Rn 566 (S. 175) mit jeweiliger Auflistung der Ordnungen.

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