I. Spanisches Erbkollisionsrecht und EuErbVO

 

Rz. 6

Die Darstellung des spanischen internationalen Erbkollisionsrechts wurde auch durch das Inkrafttreten der EuErbVO nicht obsolet. Zwar verdrängt die EuErbVO in ihrem Anwendungsbereich das nationale IPR der Mitgliedstaaten, so dass die Bestimmung der Rechtsordnung, die das Erbstatut ausfüllen soll, nicht mehr Art. 9.8 CC,[3] sondern den Kollisionsvorschriften der EuErbVO zu entnehmen ist. Einerseits finden aber auf Erbfälle, die bis zum 16.8.2015 eingetreten sind, nach Art. 83 Abs. 1 EuErbVO weiterhin die jeweiligen nationalen Vorschriften des deutschen und des spanischen IPR Anwendung, selbst wenn sie erst nach diesem Datum abgewickelt werden. Andererseits gelten für die Lösung des internen spanischen Normenkonflikts zum Zwecke der Bestimmung der maßgeblichen Teilrechtsordnung innerhalb Spaniens die Vorschriften des spanischen internationalen Erbkollisionsrechts entsprechend mit der Maßgabe, dass die Staatsangehörigkeit des Erblassers gem. Art. 14.1, 16.1 CC durch die sog. vecindad civil, die bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit, ersetzt wird.[4] Dies leuchtet zunächst für rein spanische Erbfälle, die keinen Auslandsbezug aufweisen, die somit außerhalb des Anwendungsbereichs der EuErbVO liegen, ein. Auch innerhalb des Anwendungsbereichs der EuErbVO bleibt die Kenntnis der betreffenden spanischen Vorschriften aber unerlässlich. Anders als der Entwurf der EuErbVO, der bei Mehrrechtsstaaten in Art. 28 noch eine direkte Verweisung auf das Recht der betreffenden Teilrechtsordnung vorsah – und damit die Anwendung der spanischen interregionalen Kollisionsnormen "ausgeschaltet" hätte[5] –, ist nach der EuErbVO in Art. 36 Abs. 1 zur Regelung des internen Normenkonflikts nunmehr vorrangig das Kollisionsrecht des betroffenen Mitgliedstaates berufen (siehe Rdn 63). Die Frage, welche der spanischen Teilrechtsordnungen bei Anwendbarkeit spanischen Rechts zur Regelung eines internationalen Erbfalls berufen ist, ist demnach jedenfalls dem Grundsatz nach (ggf. mit Ausnahmen für ausländische Erblasser) dem interregionalen Recht Spaniens (siehe Rdn 68 ff.) zu entnehmen.[6] Letzteres greift auf die Normen des spanischen IPR zurück und wendet diese entsprechend auf den interregionalen Normenkonflikt an,[7] so dass diese auch für die Regelung internationaler Erbfälle unter Geltung der EuErbVO ungeminderte Aktualität und Relevanz genießen.

[3] Artikel des spanischen Código Civil im Original mit deutscher Übersetzung bei Peuster, Código Civil, Frankfurt/M. 2002 (mit Nachtrag 2010 von B. Löber/F. Lozano).
[4] Hierneis, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Spanien, Rn 28c; Carrascosa Gonzalez, in: Pasquau Liaño, Jurisprudencia Civil Comentada, Art. 9.8, Ziff. 2.1 und 8.
[5] Steinmetz/B. Löber/García, ZEV 2010, 234, 235.
[6] Steinmetz/J. Löber/García, ZEV 2013, 535, 536.
[7] Álvarez González, Dereito 2006, S. 263, 274.

II. Bestimmung des Erbstatuts aus spanischer Sicht

1. Staatsangehörigkeitsprinzip und Grundsatz der Nachlasseinheit

 

Rz. 7

In erste Linie ist auf Art. 21 EuErbVO (Anknüpfung an das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers) und Art. 22 EuErbVO (Anknüpfung an das durch den Erblasser gewählte Recht) abzustellen. Hinzuweisen ist zudem auf die Besonderheit, dass es nach baskischem Recht u.U. nach dem Prinzip der Troncalidad eine Sondererbfolge in Liegenschaften gibt, die auf Art. 30 EuErbVO gestützt wird und zu einer (nicht zu interregionalen, sondern auch internationalen) Nachlassspaltung führen kann.[8]

Die Regelungen des spanischen internationalen Erbrechts (Rdn 711) sind grundsätzlich durch die EuErbVO unanwendbar geworden. Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuErbVO wird unmittelbar – zur Lösung des interregionalen Normenkonflikts nach Art. 16.1 CC entsprechend – auf die Vorschriften des spanischen internationalen Erbkollisionsrechts abgestellt. Die Regelungen des spanischen IPR finden sich im Titulo Prelimar des Código Civil (CC), insbesondere in den Art. 8–12 CC. Gemäß Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 Constitución Española (CE – Spanische Verfassung)[9] fällt das spanische Internationale Privatrecht in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Staates, so dass insoweit kein Raum für abweichende Regelungen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Foralrechte verbleibt.[10]

 

Rz. 8

Über das spanische Internationale Erbrecht bestimmt Art. 9.8 CC, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen sich nach dem Heimatrecht des Erblassers richtet, und zwar "unabhängig von der Art der Güter und dem Land, in dem sie sich befinden". Das Erbstatut wird nach spanischem IPR ausschließlich objektiv angeknüpft; die Möglichkeit einer Rechtswahl durch den Erblasser ist nicht vorgesehen.[11] Allerdings bestehen – wenn auch in begrenztem Maße – Einflussmöglichkeiten des Erblassers auf das anwendbare Erbrecht. So bestimmt beispielsweise die Wahl eines bestimmten Ehewirkungsrechts nach Art. 9.3 CC letztlich auch das gesetzliche Ehegattenerb- und Pflichtteilsrecht (Art. 9.8. S. 3 CC). Darüber hinaus kann nach den Regeln des interregionalen Normenkonflikts zwar nicht unmittelbar das Recht einer Teilrechtsordnung gewählt werden. Mittelbar kann aber du...

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