Rz. 200
Dem Grundsatz nach lässt die EuErbVO die innerstaatlichen mitgliedstaatlichen Vorschriften betreffend die Zuständigkeit in Erbsachen unberührt (Art. 2 EuErbVO). Es gilt somit weiterhin der nach spanischem Recht gültige Grundsatz der freien Wahl des Notars[241] beispielsweise für die Errichtung von Erbteilungsurkunden, letztwilligen Verfügungen etc.[242] Die internationale Zuständigkeit nach mitgliedstaatlichem Recht wird nur insoweit von den Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO verdrängt, als es um die gerichtliche Zuständigkeit geht. "Gerichtliches Tätigwerden" in diesem Sinne kann allerdings auch in notariellem Handeln bestehen. Nach deutschem Verständnis nachlassgerichtliche Aufgaben wie die Erteilung eines Erbscheins bei gesetzlicher Erbfolge (acta de notoriedad, der notarielle Erbschein) sind den Notaren übertragen und somit von den Regelungen der internationalen Zuständigkeit der EuErbVO betroffen.
Rz. 201
Das Europäische Nachlasszeugnis schließt nicht die Möglichkeit aus (jedenfalls in rein innerstaatlichen, wohl aber auch staatenübergreifenden Sachverhalten),[243] das "nationale Erbscheinsverfahren" zu betreiben (Art. 62 Abs. 2 EuErbVO). Voraussetzung für das nationale Erbscheinsverfahren ist allerdings, dass sich die internationale Zuständigkeit aus der EuErbVO selbst – und nicht nur aus dem mitgliedstaatlichen Recht – ableiten lassen muss.[244] Insoweit bleiben die nachfolgenden Ausführungen zum spanischen Erbverfahrensrecht unverändert gültig, soweit eine Zuständigkeit der spanischen Gerichte bzw. Notariate gemäß EuErbVO gegeben ist. Nach Maßgabe der Schlussbestimmung 26 der spanischen ZPO (LEC) sind die Notare (Ziff. 14) und die Gerichte, die über die Nachlasssache entscheiden (Ziff. 11), zuständig.
Rz. 202
Charakteristikum der spanischen Erbverfahrenslandschaft ist das institutionelle Zusammenspiel zwischen Notar und Gericht. Hierbei spielt der Notar die Hauptrolle, insbesondere dann, wenn im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege eine letztwillige Verfügung des Erblassers notariell protokolliert worden ist. Ein dem deutschen Testamentseröffnungs- und anschließenden Erbscheinsverfahren vergleichbares allgemeines Verfahren kennt das spanische Recht nicht. In die Domäne des Notars im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (jurisdicción voluntaria) gehören die Verfahren im Zusammenhang mit der Eröffnung des eigenhändigen Testaments (Art. 689–693 CC) und des verschlossenen Testaments (Art. 714 CC), also der verschlossenen Schrift, die der Erblasser dem Notar mit dem Bemerken übergeben hat, es handele sich um seinen letzten Willen. Auch für die Erteilung des notariellen Erbscheins bei gesetzlicher Erbfolge oder des Europäischen Nachlasszeugnisses sind die Notare zuständig. Werden Erbsachen dagegen streitig, wird die gerichtliche Zuständigkeit eröffnet, insbesondere bei der Erbteilung (Art. 782 ff. LEC 2000).
Rz. 203
Mit dem Gesetz 15/2015, de 2 de julio, de la Jurisdicción Voluntaria sind in dem Gesetz betreffend die freiwillige Gerichtsbarkeit nunmehr die zuvor an verschiedenen Stellen verteilten Vorschriften des Nachlassverfahrens[245] zu einem guten Teil konzentriert worden.
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