1. Allgemeines

 

Rz. 147

Etwaige Pflichtteilsansprüche beurteilen sich nach dem Recht, welches für die Erbfolge insgesamt gilt, dem Erbstatut. Dieses bestimmt sich für Erbfälle, die ab dem 17.8.2015 eingetreten sind, nach den Art. 21, 22 EuErbVO.

 

Rz. 148

Das Recht auf den Noterbteil nach dem (gemein-)spanischen Código Civil (die legítima)[179] unterscheidet sich wesentlich vom deutschen Pflichtteilsrecht. Der Noterbe nach spanischem Recht hat die Stellung eines gesetzlichen Erben, d.h., der Noterbe kann nicht ganz enterbt werden. Das Noterbrecht ist damit echter Anteil am Nachlass (pars hereditatis bzw. pars bonorum),[180] kein bloßes Forderungsrecht.

 

Rz. 149

Als legítima (Noterbteil) wird derjenige Teil des Nachlasses bezeichnet, über den der Erblasser nicht verfügen kann (im Sinne von "nicht dürfen"). Der Noterbteil ist von Gesetzes wegen für den oder die Noterben bestimmt; er ist nicht disponibel und kann nur bei Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes i.S.d. Art. 852 ff. CC entzogen werden[181] bzw. fällt bei Erbunwürdigkeit des Noterbberechtigten ggf. seinen Abkömmlingen zu (Art. 761 CC). Auch kann die legítima nicht beschwert oder mit einer Bedingung belastet werden (Art. 813 S. 1 bzw. 2 CC).[182] Dies gilt mit Ausnahme des Witwennießbrauchs (Art. 834 CC) und in den Fällen der Enterbung bzw. Belastung des Noterbrechts in guter Absicht (Art. 782, 808 CC), vgl. Rdn 138). Zudem ist ein Verzicht der Noterben auf ihren künftigen Noterbteil nach Art. 816 CC unzulässig; jeder Verzicht wie auch entsprechende Vereinbarungen mit den Noterben sind nichtig.[183]

[179] Vgl. dazu Lacruz Berdejo, S. 781–790; O’Callaghan Muñoz, S. 285–289; siehe auch Selbherr, MittBayNot 2002, 167.
[180] DGRN v. 14.2.2019.
[181] Zu den Enterbungsgründen im Einzelnen Chocomeli/Idelmann, INF 2014, 175, 178 f.
[182] Sog. intangibilidad cualitativa, vgl. Busto Lago, in: Rodrigo Bercovitz Rodriguez-Cano, Comentarios al Codigo Civil, Art. 813 Ziff. 2.
[183] Selbst wenn der Noterbberechtigte einen entsprechenden Verzichtsvertrag geschlossen hat, darf er doch nach dem Tod des Erblassers seinen Noterbteil geltend machen; das, was er für den Verzicht erhalten hat, ist jedoch anzurechnen (Art. 816 2. Halbs. CC), vgl. Fallbeispiel bei Everts, NotBZ 2015, 3, 5.

2. Kreis der Noterbberechtigten und Höhe ihrer Beteiligung

 

Rz. 150

Noterben, auch "zwingende Erben" (herederos forzosos), sind Kinder und deren Abkömmlinge, die Eltern und Vorfahren, sofern der Erblasser keine Abkömmlinge hat, sowie der überlebende Ehegatte (Art. 807 CC). Nur wer keine herederos forzosos hat, kann frei über sein gesamtes Vermögen verfügen (Art. 763, 806 CC).

 

Rz. 151

Der nach Bedeutung und Häufigkeit wohl wichtigste Fall – das Noterbrecht der Abkömmlinge – ist wie folgt ausgestaltet:

Übersicht: Noterbrecht der Abkömmlinge

 

Rz. 152

Das (Not-)Erbrecht der Abkömmlinge umfasst damit zwei Drittel des Reinnachlasses der Eltern (Art. 806 CC). Deren Noterbrecht wie das entfernterer Verwandter beträgt die Hälfte des Reinnachlasses ihrer Kinder und sonstigen Abkömmlinge.[184] Treffen Eltern und entferntere Verwandte mit dem überlebenden Ehegatten des Erblassers zusammen, beträgt das Noterbrecht der Eltern nur noch ein Drittel des Nachlasses (Art. 809 S. 1 CC). Die Eltern des Erblassers sind zu gleichen Teilen noterbberechtigt; bei Vorversterben des einen fällt dessen Noterbteil dem anderen Elternteil zu (Art. 810 CC).[185]

[184] Hier gilt oben erwähnte Einschränkung (siehe Rdn 150), dass keine Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sein dürfen.
[185] Zum Noterbrecht der Aszendenten bei Vorversterben beider Elternteile siehe Art. 810 Abs. 2 CC.

3. Feststellung der disponiblen Quote

 

Rz. 153

Nach spanischem Recht darf der Erblasser bei Vorhandensein von Noterben über seinen Nachlass nur innerhalb des Rahmens verfügen, den ihm das Gesetz gestattet. Die disponible Quote richtet sich insbesondere danach, ob Abkömmlinge des Erblassers und ob daneben weitere Noterbberechtigte vorhanden sind: Der Erblasser kann damit nur über ⅓ seines Vermögens frei verfügen, wenn Abkömmlinge vorhanden sind; wenn keine Abkömmlinge, aber Eltern bzw. Großeltern vorhanden sind, erben diese zu ½ Noterbteil; lebt der Ehegatte des Erblassers noch, reduziert sich das Noterbrecht der Aszendenten auf ⅓ Erbteil (Art. 809 CC), während dem Ehegatten ein Nießbrauch an der Hälfte des Nachlasses (Art. 837 CC), bei Fehlen auch der Aszendenten (Art. 838 CC) an ⅔ des Nachlasses zusteht. Über das gesamte Vermögen kann er nur verfügen, wenn es überhaupt keine Noterben gibt.

4. Folgen der Überschreitung

 

Rz. 154

Wird ein Noterbe vollständig übergangen,[186] so ergeben sich dessen Rechte aus Art. 814 CC. In diesem Fall wahrt der Noterbe seine Rechte durch Erhebung einer Herabsetzungsklage,[187] die von dem übergangenen Noterben gegen die übrigen, nicht übergangenen Noterben wie auch die sonstigen Nachlassbeteiligten zu erheben ist, die durch die Herabsetzungsklage betroffen sind. Zweifelhaft ist, welche Rechtslage bei vollständiger Übergehung in den Erbschein aufzunehmen ist.[188]

 

Rz. 155

Noterben, die weniger als den ihnen zustehenden Noterbteil erhalten, können Ergänzung ihres Noterbteils...

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