Fernando Lozano, Carlos Fernández
I. Mitbestimmung in der spanischen Verfassung
Rz. 278
Die Förderung der Mitbestimmung (participación) in ihren verschiedenen Formen im Unternehmen hat in Art. 129.2 der Spanischen Verfassung von 1978 Verfassungsrang erhalten. Die Bestimmung lautet in deutscher Übersetzung wie folgt: "Die öffentlichen Gewalten fördern wirksam die verschiedenen Formen der Mitbestimmung im Unternehmen und stärken mittels geeigneter Gesetzgebung die kooperativen Gesellschaften. Sie regeln ferner die Wege, die den Zugang der Arbeitnehmer zum Eigentum an den Produktionsmitteln ermöglichen."
Rz. 279
Allerdings entspricht die Rechtswirklichkeit der spanischen Mitbestimmung (participación) nicht der Mitbestimmung des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes (§§ 87, 99). Während nach dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz die Geschäftsführung bzw. der Vorstand ohne den Betriebsrat nicht wirksam handeln kann, beschränken sich die Befugnisse des spanischen Betriebsrats (comité de empresa) nach Art. 64 Arbeitnehmerstatut (Estatuto de los Trabajadores – ET) auf Unterrichtung, Beratung, Stellungnahme und Kontrolle.
Rz. 280
Im Hinblick darauf, dass der Begriff "Mitbestimmung" überwiegend vom Mitbestimmungsmodell des deutschen Betriebsverfassungsrechts geprägt ist, erscheint es angebrachter, die spanische "participación" zu übersetzen als "Mitwirkung der Arbeitnehmer an den Belangen des Unternehmens"; zumal die Geschäftsführung eines spanischen Unternehmens zwar die Rechte des Betriebsrats respektieren muss, ohne dessen Mitwirkung aber nicht handlungsunfähig ist. Adomeit/Frühbeck weisen zwar darauf hin, dass die "faktischen Einwirkungsmöglichkeiten des comité bei starker Unterstützung durch eine starke Gewerkschaft die eines normalen deutschen Betriebsrats durchaus übertreffen können"; hierbei dürfte es sich jedoch eher um Einzelfälle handeln.
II. Mitbestimmungsregelung des Arbeitnehmerstatuts
Rz. 281
Der Grundsatz der Mitbestimmung von Arbeitnehmern im Betrieb findet sich in den Art. 4.1.g und Art. 61 ET, die folgenden Wortlaut haben:
Zitat
Art. 4.1.g ET
Die Arbeitnehmer besitzen mit dem Inhalt und mit der Reichweite, die für jedes einzelne Grundrecht in einer gesonderten Regelung festgelegt wird, als Grundrecht:
a) – f) (…)
g) Information, Beratung und Beteiligung an dem Unternehmen.
Art. 61 ET Mitbestimmung
Die Arbeitnehmer haben nach Art. 4 dieses Gesetzes und unbeschadet anderer Formen der Mitbestimmung einen Anspruch darauf, im Unternehmen über die in diesem Titel geregelten Vertretungsstellen mitzuwirken.
Rz. 282
Wie das Recht der kollektiven Vertretung im Einzelnen geregelt ist, ergibt sich aus den Art. 62 ff. ET. Nach Art. 66 ET richtet sich die Arbeitnehmervertretung (comité de empresa) nach der Größe des Betriebes wie folgt:
50 bis 100 Arbeitnehmer: |
5 Mitglieder |
101 bis 250 Arbeitnehmer: |
9 Mitglieder |
251 bis 500 Arbeitnehmer: |
13 Mitglieder |
501 bis 750 Arbeitnehmer: |
17 Mitglieder |
751 bis 1.000 Arbeitnehmer: |
21 Mitglieder |
ab 1.000 Arbeitnehmer: |
2 für je 1.000 oder je angefangenen Bruchteil hiervon mit der Höchstzahl von 75. |
III. Der Mitbestimmungsgedanke in der Arbeitnehmer-GmbH
Rz. 283
Anfänglich gab es für die Arbeitnehmeraktiengesellschaften (S.A.L.) keinerlei gesetzliche Regelung. Die erste Gesetzesnorm, die speziell diese Art von Gesellschaften regelte, war das Gesetz 15/1986 vom 25. April über Arbeitnehmeraktiengesellschaften; sie erkannte lediglich die Rechtsfigur der Arbeitnehmeraktiengesellschaft an. Erst elf Jahre danach erfolgte mit dem Gesetz 4/1997 vom 24. März eine Aktualisierung dieser Gesellschaftsform. Die wichtigste Änderung bestand in der Aufnahme von Haftungstatbeständen in der Arbeitnehmergesellschaft. Das Gesetz 4/1997 wurde durch das Gesetz 44/2015 vom 14. Oktober ersetzt.
Rz. 284
Die Arbeitnehmergesellschaft kann sowohl im Rechtskleid der GmbH als Sociedad limitada laboral (S.L.L.) als auch als Arbeitnehmeraktiengesellschaft (Sociedad anónima laboral, S.A.L.) gegründet werden. Das Stammkapital der Arbeitnehmer-GmbH bzw. das Grundkapital der Arbeitnehmeraktiengesellschaft entspricht dem der S.L. bzw. der S.A. Es handelt sich hierbei um spezifische Unterarten der normalen GmbH bzw. der Aktiengesellschaft. Die Beteiligung an dieser Gesellschaft erfolgt durch Arbeitnehmeranteile am Stammkapital der Gesellschaft, zumeist durch Bareinzahlung oder durch ...