Fernando Lozano, Carlos Fernández
I. Grundsätzliche Anknüpfung der lex societatis im Hinblick auf die S.L.
1. Satzungsgemäßer Sitz als Anknüpfungsmoment
Rz. 351
Zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts lässt sich in Ergänzung zu Art. 9 Abs. 11 CC auf Art. 8 LSC abstellen. Dieser stellt im Verhältnis zu Art. 28 CC eine vorrangige Sondervorschrift dar. Nach Art. 8 LSC ist eine Gesellschaft spanisch, wenn sie ihren satzungsmäßigen Sitz in Spanien hat.
Rz. 352
So kann durch Ansiedlung des satzungsgemäßen Sitzes in Spanien eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung der spanischen LSC unterworfen werden. Damit ist die Gründung einer spanischen S.L. auch im Ausland möglich. Bei Art. 8 LSC handelt es sich nur um eine einseitige Kollisionsnorm (norma de conflicto estrictamente unilateral), die lediglich bestimmt, ob das spanische Recht anwendbar ist. Ungeklärt bleibt, welches fremde Recht aus spanischer Sicht letztlich zur Anwendung kommen soll, wenn nicht das spanische Recht berufen wurde.
2. Inhalt des Gesellschaftsstatuts
Rz. 353
Die lex societatis regelt umfassend die Fragen, die mit der Entstehung, der Tätigkeit und dem Erlöschen der Gesellschaft verbunden sind. Die Durchgriffshaftung kann u.U. dem Recht des Staates unterliegen, in dem die Gesellschaft tätig ist. Da gem. Art. 11 Abs. 2 CC die Form maßgeblich ist, die auf den Inhalt des entsprechenden Rechtsgeschäfts anzuwenden ist, ist bei Gründung einer spanischen S.L. also unbedingt das Erfordernis der (auch vor einem ausländischen Notar vollziehbaren) notariellen Beurkundung zu beachten.
II. Ausnahme
Rz. 354
Um zu verhindern, dass Gesellschaften trotz ausschließlichen Bezugs zum spanischen Recht durch eine entsprechende Ansiedlung ihres satzungsmäßigen Sitzes einem fremden Recht unterfallen, bestimmt Art. 9 Abs. 2 LSC, dass eine S.L. gleichwohl ihren satzungsmäßigen Sitz in Spanien haben muss, wenn der Hauptsitz und der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit aus spanischer Sicht im Inland liegen.
1. Art. 9 Abs. 2 LSC
Rz. 355
Durch diese Einschränkung der Gestaltungsfreiheit soll die Entstehung so genannter falsas sociedades extranjeras (Pseudo-Foreign Corporations) verhindert werden, deren Tätigkeit im Ausland ausschließlich von spanischem Staatsboden aus gesteuert wird oder deren wirtschaftlicher Schwerpunkt in Spanien liegt. Dabei gilt die Ausnahmevorschrift des Art. 9.2 LSC uneingeschränkt nur für Sachverhalte, die keinen Bezug zum Niederlassungsrecht der EU (Art. 54 AEUV) aufweisen.
2. Einfluss von Art. 54 AEUV auf Art. 9.2 LSC
Rz. 356
Die Centros-, die Überseering- und die Inspire Art-Entscheidungen des EuGH machen deutlich, dass nationale (auch kollisionsrechtliche) Vorschriften nicht den éffet utile der nach Art. 54 AEUV zu gewährleistenden Niederlassungsfreiheit einschränken dürfen. Innerhalb des Anwendungsbereichs des AEUV ist Art. 9 Abs. 2 LSC mithin nicht anwendbar, wenn er zur Einschränkung der Niederlassungsfreiheit des Art. 54 AEUV führen würde. Eine in ihrem EU-Herkunftsland wirksam gegründete ausländische Gesellschaft, die ihre tatsächliche Hauptniederlassung aus spanischer Sicht im Inland angesiedelt hat oder auf spanischem Territorium ausschließlich wirtschaftlich tätig ist, ist deshalb nicht nach Art. 9 Abs. 2 LSC gezwungen, in Spanien die Form einer spanischen S.L. anzunehmen. Hierfür spricht auch Art. 94 LME (Gesetz 3/2009).
III. Sitzverlegung
Rz. 357
Das Recht der internationalen Sitzverlegung ist durch das Gesetz 3/2009 über "strukturelle Veränderungen von Handelsgesellschaften" vom 3.4.2009 ("LME") in den Art. 92 ff. grundlegend überarbeitet worden.
1. Sitzverlegung nach Spanien (Zuzug)
Rz. 358
Verlegt eine ausländische Gesellschaft ihren satzungsgemäßen Sitz nach Spanien, so soll dies auf ihre Rechtspersönlichkeit grundsätzlich keine Auswirkungen haben. Sie kann bei Erfüllung der in Art. 94 LME genannten Voraussetzungen eine spanische Gesellschaft des entsprechenden Typs werden, wenn sie
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in einem anderen EU-Staat wirksam gegründet wurde (und sie durch Sitzverlegung ins Ausland nicht erlischt, Art. 94.2 LME); |
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die Vorau... |