Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Abgabe von Gratiskopien von Musikaufnahmen auf Tonträgern an Personen der Musikbranche in der Absicht, für deren Veröffentlichungen zu werben, der Mehrwertsteuer unterliegt.
Um den Bekanntheitsgrad und die Vermarktungsfähigkeit ihrer Künstler zu fördern, gab das im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmen unentgeltlich verschiedene Kopien von Alben und Singles (z.B. auf CD's) insbesondere an Personen ab, die sie für in der Musikindustrie einflussreich hielt. Von den Reaktionen dieser Personen erhoffte sich das Unternehmen, Erkenntnisse über die Markteignung der Musik zu gewinnen oder die Meinungsbildung auf dem Markt, z.B. durch Abspielen in Radiosendungen, direkt zu beeinflussen.
Streitig war, ob die abgegebenen Gratiskopien als Warenmuster oder Geschenke von geringem Wert im Sinne von Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der 6. EG-RL (ab 1.1.2007: Art. 16 Satz 2 MwStSystRL) anzusehen sind mit der Folge, dass ihre unentgeltliche Abgabe nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.
Das britische Mehrwertsteuerrecht sieht im Wesentlichen vor, dass die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder Zuwendung von Gegenständen eine der Mehrwertsteuer unterliegende Lieferung darstellt; davon ausgenommen ist die Abgabe von Werbegeschenken und Warenmustern. In Bezug auf Geschenke steht die Ausnahme unter der Bedingung, dass ihr Wert den Betrag von 50 GBP pro Person und Jahr nicht übersteigt. Bis Oktober 2003 waren von dieser Ausnahme Geschenke, die Teil einer Serie von Geschenken waren, nicht gedeckt. Bei Warenmustern ist, wenn mehrere identische Warenmuster ein und derselben Person übergeben werden, nur das erste Warenmuster befreit. Bis Juli 1993 waren von der Befreiung nur gewerbliche Warenmuster in einer im Verkauf gewöhnlich nicht erhältlichen Form erfasst.
Mit einigen seiner Fragen wollte das Vorlagegericht wissen, wie der Begriff "Warenmuster" im Sinne von Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie auszulegen ist, und ob dieser Begriff nur Gegenstände erfasst, die in einer im Verkauf nicht erhältlichen Form abgegeben werden, und nur das erste Exemplar einer Reihe identischer Gegenstände, die an denselben Empfänger abgegeben werden.
Warenmuster dienen nach dem EuGH-Urteil dazu, das Produkt, von dem die Warenmuster Probeexemplare sind, dadurch zu bewerben, dass es einem potenziellen oder tatsächlichen Käufer ermöglicht wird, die Qualität dieses Produkts zu bewerten und zu überprüfen, ob es die nachgefragten Eigenschaften aufweist. Somit kann - bezogen auf den vorliegenden Fall - das Warenmuster auch ein Tonträger sein, der in seiner Form, Aufmachung und in seinen Eigenschaften denen des im späteren Handel befindlichen Produkts entspricht.
Die Nichtsteuerbarkeit der Abgabe des Warenmusters entfällt nach dem Urteil auch nicht dadurch, dass das Warenmuster an andere Personen als potentielle Käufer (hier Mittelspersonen wie Journalisten und Radiomoderatoren) abgegeben wird, wenn eine solche Abgabe mit dem Bewerbungs- und Bewertungsprozess für das Produkt naturgemäß verbunden ist.
Auch die Abgabe mehrerer Probeexemplare als Warenmuster kann nach dem Urteil von der Nichtsteuerbarkeit nach Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie erfasst sein. Hier berücksichtigt der EuGH, dass die Zahl der Warenmuster, die ein Unternehmer ein und demselben Empfänger - im vorliegenden Fall einer Mittelsperson - übergeben kann, von der Art des repräsentierten Produkts sowie davon abhängt, welchen Gebrauch der Empfänger davon machen soll. Der EuGH geht davon aus, dass in bestimmten Fällen die Abgabe mehrerer oder sogar einer erheblichen Zahl von Probeexemplaren ein und desselben Produkts an einen bestimmten Empfänger erforderlich sein kann, um den mit der Abgabe von Warenmustern verfolgten Werbezielen gerecht zu werden. So kann es bei Musikaufnahmen für die Zwecke der kritischen Besprechung und der Bewerbung einer CD erforderlich sein, zahlreiche Exemplare dieser CD an Mittelspersonen abzugeben, damit diese sie an Personen weitergeben können, die nach ihrer Fähigkeit, den Absatz einer CD zu fördern, bestimmt werden. Unter dieser Voraussetzung kann auch die Abgabe mehrer hundert Warenmuster nicht steuerbar sein.
Nach dem Urteil können die Mitgliedstaaten jedoch den Unternehmern Vorsichtsmaßnahmen vorschreiben, um der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Warenmuster bzw. eines unversteuerten Letztverbrauchs vorzubeugen. Solche Vorsichtsmaßnahmen können z. B. in einer Verpflichtung zur Etikettierung, die die Warenmustereigenschaft des Gegenstands erkennen lässt, oder in Vertragsklauseln über die zivilrechtliche Haftung der Mittelspersonen bestehen, die die Warenmuster im Hinblick auf ihre Weitergabe an andere Personen erhalten.
Mit seinen weiteren Fragen wollte das Vorlagegericht erfahren, wie der Begriff "Geschenke von geringem Wert" im Sinne von Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie auszulegen ist und ob diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die für die Zahl oder den Wert d...