Leitsatz
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie für kulturelle Umsätze (umgesetzt in § 4 Nr. 20 UStG) auch für Leistungen eines Solisten in Betracht kommen kann.
Sachverhalt
Die Bundesregierung hatte vorgetragen, dass es im Hinblick auf EuGH, Urteil v. 7.9.1999, C-216/97 (Gregg) bei der Auslegung des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie zwar grundsätzlich nicht darauf ankomme, ob die betreffende Einrichtung von einer juristischen oder von einer natürlichen Person betrieben werde. Aufgrund des Umsetzungsspielraums dieser Vorschrift sei es den Mitgliedstaaten aber nicht verwehrt, die Leistungen von Solisten von der Steuerbefreiung auszunehmen. Der Gerichtshof sei in seinem Urteil vom 7.9.1999 nicht davon ausgegangen, dass der Begriff der Einrichtung ohne weiteres mit einer natürlichen Person gleichgesetzt werden könne. Der EuGH habe vielmehr entschieden, dass eine natürliche Person nur dann eine Einrichtung im Sinne des Artikels 13 Teil A der 6. EG-Richtlinie sein könne, wenn sie ein Unternehmen betreibt, das den Begriff der Einrichtung in der Weise erfüllt, dass es sich um die Existenz eines autonomen Wirtschaftsteilnehmers handelt, der sich als Gesamtheit von Personal- und Sachmitteln versteht, die eine abgegrenzte Einheit darstellen (vgl. Rz. 18 EuGH, Urteil v. 7.9.1999, C-216/97 (Gregg) und Rz. 27 der Schlussanträge des Generalanwalts vom 17.11.1998 in dieser Sache). Ein Solist sei in dieser Hinsicht nicht mit einem Chor, einem Orchester oder einem Kammermusikensemble zu vergleichen. Vielmehr trete er immer nur in seiner eigenen Person auf, während ein Ensemble als eine Gesamtheit von personellen und sachlichen Kräften aufgefasst werden könne, die für die Leistungen erforderlich sind und die den Leistungen das Gepräge geben.
Entscheidung
Auf diese Unterscheidung in der äußeren Form des Auftretens und auch des damit verbundenen unterschiedlichen Inhalts der Leistungen, die Solisten einerseits und Ensembles andererseits erbringen, ist der EuGH nicht eingegangen. Nach seinem Urteil gibt es - folgend aus der Entscheidung EuGH, Urteil v. 7.9.1999, C-216/97 (Gregg) für Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und g - auch für Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie bzw. für die dort genannten kulturellen Leistungen keine Rechtfertigung, Gesangssolisten, die Einzelleistungen erbringen, nicht als eine Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Der EuGH hebt dabei auf das bloße Ziel der Tätigkeit, nicht aber auf ihre unterschiedlichen Wesensmerkmale, ab. Solisten könnten ebenso wie kulturelle Ensembles ihre Tätigkeit hauptberuflich, nebenberuflich oder aus Liebhaberei ausüben und dabei entweder Gewinn erzielen oder ehrenamtlich oder ggf. gegen bloße Aufwandsentschädigung handeln. In diesen Fällen erscheine der Künstler, selbst wenn er seine Leistungen aus eigenen Mitteln bestreitet und unabhängig von seiner Rechtsform, als abgegrenzte Einheit, die ebenso wie ein kulturelles Ensemble eine kulturelle Leistung erbringe. Davon ausgehend verweist der EuGH auf den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, so dass Solistenleistungen nicht anders als Ensembleleistungen behandelt werden könnten.
Nachfolgend gibt der EuGH allerdings den Hinweis, dass die Mitgliedstaaten in Anwendung von Artikel 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie für Solisten und für Ensembles die Steuerbefreiung von einer oder mehrerer der dort genannten Bedingungen abhängig machen können. So könne die Steuerbefreiung u.a. davon abhängen, ob die betreffenden Personen oder Personengruppen eine systematische Gewinnerzielung anstreben und ob die Leitungs- und Verwaltungsfunktionen der Einrichtung im Wesentlichen ehrenamtlich ausgeübt werden. Eine solche Einschränkung der Steuerbefreiung sieht § 4 Nr. 20 UStG bislang nicht vor.
Nach den weiteren Entscheidungsgründen können Leistungen von Solisten auch deshalb nicht von der Steuerbefreiung ausgenommen werden, weil die Überschrift von Artikel 13 Teil A der 6. EG-Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht in die Lage versetzt, Bedingungen zur Anwendung der in Artikel 13 Teil A genannten Steuerbefreiungen zu setzen. Die einzige Möglichkeit, Steuerbefreiungen an weitere materiell-rechtliche Bedingungen zu knüpfen, ergebe sich aus Artikel 13 Teil A Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie.
Hinweis
Mit dem Urteil dürfte die bisherige BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil v. 14.12.1995, V R 13/90, BStBl II 1996, 386 und die darauf zurückgehende Verwaltungsauffassung (vgl. Abschn. 107 Abs. 1 UStR) überholt sein, die eine steuerbegünstigte Musik- und Gesangsgruppe dann annimmt, wenn sie aus zwei oder mehr Mitwirkenden besteht. Das EuGH-Urteil ist, wenn auch der Gerichtshof nicht nach dem Inhalt der von Ensembles bzw. Solisten dargebotenen Leistungen differenziert, jedenfalls mit Blick auf § 4 Nr. 20 UStG nachvollziehbar, wenn dort von den Einschränkungsmöglichkeiten der Steuerbefreiung gemäß Artikel 13 Teil A Ab...