Sachverhalt
Bei dem ungarischen Verfahren ging es um die Auslegung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL. Gegenstand des Ersuchens waren insbesondere die dem liefernden Unternehmer zumutbaren Pflichten im Hinblick auf die Feststellung des tatsächlichen Bestimmungsortes der Ware.
Am 28.8.2009 schloss die Klägerin mit einer in Italien ansässigen Handelsgesellschaft I einen Vertrag über die innergemeinschaftliche Lieferung von 1 000 Tonnen Raps. Bezüglich der Menge wurde vereinbart, maßgeblich sei das Gewicht der Fracht bei Verladung am Erfüllungsort des Vertrags, in den Geschäftsräumlichkeiten der Klägerin, bescheinigt durch Wiegescheine, und die auf Grundlage des ermittelten Gewichts ausgestellten Rechnungen. I übernahm die Verpflichtung, das Beförderungsmittel zu besorgen und die Ware in einen anderen EU-Mitgliedstaat zu verbringen. Die Klägerin überprüfte am 7.9.2009 die USt-IdNr. von I mit dem Ergebnis von deren Gültigkeit. Am 4.9.2009 wurden zwei Rechnungen über je die Hälfte des gelieferten Raps ausgestellt. Einige Tage später bezahlte I eine der beiden Rechnungen durch eine natürliche Person ungarischer Staatsangehörigkeit, die den Betrag auf das Bankkonto der Klägerin einzahlte. Für die Zahlung des zweiten Teilbetrags hatte die Klägerin eine Frist von acht Monaten eingeräumt.
Vor Beförderung der Ware teilte I der Klägerin die amtlichen Kennzeichen der Fahrzeuge mit, die bei den Geschäftsräumen der Verkäuferin eintreffen würden. Nach Verwiegung der Fahrzeuge wurden die Gewichtsbeträge in den CMR-Frachtbriefen vermerkt; die Frachtführer führten Lieferscheine mit sich und stempelten dort, unter den Positionen 23 und 16, die den Frachtführer betreffenden Abschnitte ab. Die Klägerin fotokopierte das erste Exemplar der ausgefüllten CMR-Frachtbriefe; die Originale verblieben im Besitz der Frachtführer. Die den beiden Rechnungen entsprechenden 40 CMR-Frachtbrief-Exemplare sind fortlaufend durchnummeriert; diese Exemplare wurden der Klägerin seitens I per Post von deren Adresse in Italien aus zugesandt. Die USt-IdNr. von I war mit Wirkung v. 17.4.2009 (rückwirkend) für ungültig erklärt worden. Aufgrund eines Auskunftsersuchens von Ungarn an Italien konnte der Sitz von I in Italien nicht ausfindig gemacht werden. I war den italienischen Behörden nicht bekannt und hatte zu keiner Zeit MwSt in Italien angemeldet.
Die ungarische Finanzbehörde setzte auf die Lieferung der Klägerin MwSt nebst einer Geldbuße fest, da die Voraussetzungen der Steuerfreiheit der Lieferung nicht nachgewiesen sei bzw. nicht feststehe, dass die gelieferte Ware aus Ungarn in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt sei. Die Klägerin habe sich nicht vergewissert, dass die gelieferte Ware in einer einem Beweis zugänglichen Art und Weise von Ungarn aus ins - innergemeinschaftliche - Ausland verbracht worden sei. Die Klägerin habe sich nicht nur vergewissern müssen, dass die Ware versandt worden sei, sondern auch, dass sie am Bestimmungsort angekommen sei.
Die ungarische Regierung hat vor dem EuGH noch vorgetragen, dass mehrere nicht in der Vorlageentscheidung aufgeführte Gesichtspunkte die Bösgläubigkeit der Klägerin bewiesen hätten. So habe sie, obwohl sie den Erwerber nicht gekannt habe, keinerlei Sicherheit von ihm verlangt, seine USt-IdNr. erst nach der Lieferung überprüft, keine zusätzlichen Erkundigungen über den Erwerber eingezogen, ihm das Eigentum an den Liefergegenständen trotz Stundung der Kaufpreiszahlung übertragen und die von dem Erwerber zurückgesandten CMR-Frachtbriefe als Belegnachweise verwendet, obwohl sie unvollständig gewesen seien.
Entscheidung
Der EuGH hatte zum einen zu entscheiden, ob Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL (Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen) es erlaubt, die Steuerbefreiung zu versagen, wenn die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand im Lieferstaat verschafft wird, der Erwerber in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, mit einer ihm von diesem erteilten USt-IdNr. auftritt und die Beförderung des Liefergegenstands übernimmt und der liefernde Unternehmer sich vergewissert, dass der Gegenstand mit im Ausland zugelassenen Fahrzeugen bei ihm abgeholt wird, und er über CMR-Frachtbriefe verfügt, die der Erwerber dem Lieferer vom Bestimmungsmitgliedstaat aus übersandt hat.
Hierzu hat der EuGH - im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine frühere Rerchtsprechung (insbesondere Urteile v. 27.9.2007, C-409/04, Teleos u. a., v. 27.9.2007, C-184/05, Twoh International, C-184/05, v. 7.12.2010, C-285/09, R und v. 16.12.2010, C-430/09, Euro Tyre Holding) entschieden, dass die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu versagen ist, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass der Lieferer seinen Nachweispflichten nicht nachgekommen ist oder dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen er...