Leitsatz
Art. 13 Teil B Buchst. g i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass die Lieferung eines Grundstücks, auf dem noch ein altes Gebäude steht, das abgerissen werden muss, damit an seiner Stelle ein Neubau errichtet werden kann, und mit dessen vom Verkäufer übernommenen Abriss schon vor der Lieferung begonnen worden ist, nicht unter die in der ersten dieser beiden Bestimmungen vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer fällt. Solche aus Lieferung und Abriss bestehenden Umsätze bilden mehrwertsteuerlich einen einheitlichen Umsatz, der unabhängig davon, wie weit der Abriss des alten Gebäudes zum Zeitpunkt der tatsächlichen Lieferung des Grundstücks fortgeschritten ist, in seiner Gesamtheit nicht die Lieferung des vorhandenen Gebäudes und des dazugehörigen Grund und Bodens zum Gegenstand hat, sondern die Lieferung eines unbebauten Grundstücks.
Problematik
Bei dem niederländischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, was unter Baugrundstücken i.S.v. Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Art. 12 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 MwStSystRL) zu verstehen ist. Demnach gelten als Baugrundstücke erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten. Diese Definition der Baugrundstücke hat Bedeutung für zwei verschiedene Richtlinienregelungen:
Im Streitfall hatte die Klägerin von einem Verkäufer ein Grundstück erworben, auf dem zwei alte, nicht mehr genutzte Gebäude standen. Die Klägerin hatte die Absicht, diese beiden Gebäude vollständig abreißen zu lassen, um auf dem dadurch frei gewordenen Gelände Neubauten zu errichten. Hierzu war vereinbart worden, dass der Verkäufer eine Abrissgenehmigung beantragen, mit einem Unternehmer einen Vertrag über den Abriss der betreffenden Gebäude schließen und sich die dafür anfallenden Kosten in Rechnung stellen lassen sollte. Nach der Vereinbarung zwischen dem Verkäufer und der Klägerin sollte die Klägerin die Abrisskosten durch eine entsprechende Erhöhung des Kaufpreises des Grundstücks tragen.
Die niederländische Verwaltung erhob für die Grundstückslieferung Grunderwerbsteuer, weil sie die Grundstückslieferung als mehrwertsteuerfrei behandelte. Es sei kein Baugrundstück i.S.v. Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie geliefert worden. Bei der streitgegenständlichen Lieferung eines Grundstücks, auf dem ein Gebäude stehe, das ersetzt werden soll und zu diesem Zweck schon teilweise abgerissen wurde, handele es sich solange um eine (umsatzsteuerfreie) Gebäudelieferung, als das Gebäude nicht vollständig beseitigt worden sei. Eine solche steuerfreie Gebäudelieferung führt nach niederländischem Recht zur Steuerpflicht bei der Grunderwerbsteuer.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat entschieden, dass es sich bei der fraglichen Lieferung nicht um die Lieferung eines alten Gebäudes und einer sich anschließenden Abrissleistung durch den Verkäufer gehandelt hat.
Mit Bezug auf seine ständige Rechtsprechung zur Einheitlichkeit der Leistung hat der EuGH – nachvollziehbar – entschieden, dass die Lieferung des Grundstücks mit aufstehenden Immobilien und der Abriss der Gebäude nicht als zwei verschiedene und selbstständige Umsätze, die getrennt zu beurteilen sind, sondern als zusammengesetzter Umsatz, der eine Einheit bildet, anzusehen sind.
Die Lieferung eines Grundstücks, auf dem noch ein altes Gebäude steht, das abgerissen werden muss, damit an seiner Stelle ein Neubau errichtet werden kann, und mit dessen Abriss schon (wie im Streitfall) vor der Lieferung begonnen worden ist, wie auch der Abriss dieses Gebäudes müssen nach dem Urteil als einheitlicher Umsatz betrachtet werden, der in seiner Gesamtheit nicht die Lieferung des vorhandenen Gebäudes zum Gegenstand hat, sondern die Lieferung eines unbebauten Grundstücks.
Ob es sich um ein Baugrundstück gehandelt hat, dessen Lieferung nach niederländischem Recht umsatzsteuerpflichtig ist, muss das Vorlagegericht entscheiden. Diesbezüglich hatte der EuGH bereits in seinem Urteil in der Sache Gemeente Emmen entschieden, dass es de...